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GabiS / pixelio.deMitBildernlebenredubr ansjord weg204 · 20
INHALT2Inhalt und Vorwort3Ein Pilgerweg von Bild zuBild5Bilder des Advents – Dieadventliche Musik6Bilder als Botschafter desGlaubens9Das Halleluja in Textil12Gebet in Corona-Zeiten13Bilder des Advents – EineZeit des Wartens14In Frieden entschliefen14Wir danken Bruder Jordan15Blinde Menschen und ihreBilder17Bilder des Advents – DerAdventskranz18Anno 1920 – Der KünstlerEgino Weinert20Feier der ewigen Profess21Heilig-Land-Reisen22Haus Ohrbeck23Exerzitienhaus Hofheim24Bruder-Jordan-WallfahrtenBerichte über das Leben undden Seligsprechungsprozessdes Diener Gottes Bruder Jordan Mai(1866-1922)66. Jahrgang – Heft 4/2020Diese Zeitschrift n-WerkFranziskanerstraße 144143 DortmundBruder Klaus AlbersTel.: 0231 – 56 22 18 37Annette StöcklerTel.: 0231 – 56 22 18 36Fax: 0231 – 56 22 18 34e-mail: eitung:Bruder Peter FobesBildnachweise:Sofern der Bildnachweis nicht auf denentsprechenden Seiten vermerkt ist, geltenfolgende Copyrights:Titelbild und Seite 16: Bruder Peter Fobes2Liebe Leserin, lieber Leser,wir Menschen leben mit und von Bildern. Gerne schmücken wir damitunsere Zimmer, vielleicht wie auf dem Titelfoto, wo ein Pastellgemäldein ein Bücherregal gestellt wurde. Alles, was wir sehen, nehmen wir inunser Gedächtnis auf, ja wir schaffen sogar neue Bilder – nicht nurnachts im Traum. Beispielsweise haben wir die Fähigkeit, von dem, waswir in einem Buch lesen, eine bildliche Vorstellung zu gewinnen. Undmanche Blinde können von Gegenständen, die sie ertasten, Bilder inihrem Innern entwickeln (Seite 15).Bilder bereichern unser Leben, seien es Fotos oder Gemälde. Wirerfreuen uns an schönen Motiven, müssen aber auch hinnehmen, dassuns manches erschreckt. Bildliche Darstellungen erzeugen Gefühle,sowohl positive als auch negative. Und sie sprechen zu uns. So könnenBilder Ideen vermitteln, Ereignisse schildern oder uns Personen vorAugen führen und ihren Charakter darstellen.Die besondere Aufgabe der christlichen Kunst ist es, Glaubensinhalte zuübermitteln (Seite 6). So sind in manchen Kirchen die biblischenGeschichten in Bildern dargestellt. Jedoch gab es im Christentum auchSkepsis gegenüber religiösen Darstellungen. Zu der Frage, ob dasBilderverbot, das mit den Worten „Du sollst dir kein Kultbild machen“ inden Zehn Geboten steht (Ex 20,4), auch für die Kirche gilt, beschloss dasKonzil von Nicäa im Jahr 787: Die Verehrung von bildlichenDarstellungen ist erlaubt, weil hierdurch das Dargestellte verehrt wird, soetwa Christus, Maria, die Heiligen; Bilder dürfen jedoch nicht angebetetwerden, weil die Anbetung allein Gott vorbehalten ist.Zu dem, was die Menschen im Innersten bewegt, gehört auch dasGottesbild. Es ist bei jedem Christen, jeder Christin ein anderes, je nachden religiösen Erfahrungen, die ihr Leben bestimmen (Seite 3).Auch die Liturgie hat ihre Symbole. Hierzu gehören die Gewänder fürden Gottesdienst. Sie dienen nicht nur der Verschönerung der Liturgie,sondern haben ihre Bedeutung, die sich besonders in den Motiven derStickereien zeigt (Seite 9).In der Reihe der Jahrestage stellen wir Ihnen diesmal den Künstler EginoWeinert vor. Mit seinen Werken, die meist der christlichen Kunstzuzurechnen sind, fügt sich der Beitrag gut in unser Thema ein (Seite 18).Die vorweihnachtliche Zeit steht vor der Tür. Daher begleitet bruderjordans weg Sie diesmal mit Bildern des Advents (Seiten 5, 13, 17)Mit den besten Wünschen für eine segensreiche Advents- undWeihnachtszeit und ein von Gott begleitetes und gesundes Neues Jahrgrüßen wir Sie von HerzenAnnette Stöckler, Bruder Klaus Albers, Bruder Peter Fobesbruder jordans weg · Heft 4 · 2020
Ein Pilgerweg von Bild zu BildWie sich das Gottesbild im Menschen wandeln kannEine frühere Mitarbeiterin einer Pfarrei, in der ich einmal tätig war, erzählte mir von einem Besuchbei ihren Eltern, die in Schlesien, im heutigen Polen, leben. Ihr Vater hatte kürzlich einen Schlaganfallerlitten und war seitdem pflegebedürftig. Und das Besondere sei, so erzählte sie, dass ihr Vater, den sieals Kind und Jugendliche immer als besonders streng und fast unnahbar erlebt hatte, jetzt in seinerHinfälligkeit überaus zugewandt zu ihr gewesen sei. Zum ersten Mal in ihrem Leben sei sie bei diesemBesuch von ihm umarmt und zärtlich gestreichelt worden. Und das Seltsame sei, dass sich seitdem,obwohl das doch eigentlich gar nichts miteinander zu tun habe, ihre Beziehung zu Gott verändert habe.Zum ersten Mal könne sie sich vorstellen, dass Gott wirklich großzügig und barmherzig, ja zärtlich seiund dass er sie vielleicht wirklich so annehme, wie sie ist.Gott ist für mich wie ein guter Vater, sagt ein Mensch mit einer besonders guten Beziehung zu seinem Vater. Peter Weidemann / pfarrbriefservice.deIch erzähle Ihnen diese kleine Begebenheit, weilsie den Zeitpunkt markiert, an dem ich mich nocheinmal neu mit dem Thema Gottesbild beschäftigthabe. Was meine ich mit Gottesbild?Was meine ich mit Gottesbild?Mein Gottesbild: Das meint die sehr persönlichgeprägte Art und Weise, wie ich Gott erlebe,welche Gefühle er in mir auslöst, was ich vonihm als Forderung oder als Trost wahrnehme. Ameinfachsten finde ich zu meinem gegenwärtigenGottesbild, wenn ich einen Satz anfange mit derFormulierung: „Gott ist für mich im Moment wie “. das Meer, sagt der Mensch der staunend amStrand steht.bruder jordans weg · Heft 4 · 2020. ein Leuchtturm, sagt der Mensch, der nach einerneuen Richtung für sein Leben sucht. ein guter Vater, sagt ein Mensch mit einerbesonders guten Beziehung zu seinem Vater. ein brennendes Feuer, sagt die verliebte jungeFrau.Wie würden Sie diesen Satz weiterformulieren: „Gottist für mich im Moment wie .“ oder fällt Ihnendazu im Moment gar nichts ein? Vielleicht sind daim Moment nur Bilder, die Sie abgehängt haben,weil sie nicht mehr aktuell sind. Oder vielleicht istes überhaupt ungewohnt für Sie, sich über ein BildGott zu nähern. Oder Sie hören das alttestamentlicheGebot: Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen.3
Denn sich ein Bild von Gott machen, heißt, selbstGott zu spielen oder sich Gottes zu bemächtigen, ihnsich handlich zu machen.Hier jedoch geht es nicht um Bilder, die ich mir selbstvon Gott mache, sondern es geht um Bilder, die Gottseinerseits in uns hineinlegt, wie ein Geschenk; ichmuss es nur auspacken und anschauen. „Einen neuenGeist gebe ich in euer Inneres“, so lässt Gott denPropheten Ezechiel in Kapitel 11, Vers 19 sprechen.Und dieser neue Geist Gottes ist es, der bewirkt,dass Menschen lebendige und heilvolle Bilder vonGott in sich erkennen. ‚Sein leuchtendes Angesicht‘,ein Begriff, der im Alten Testament immer wiederauftaucht, leuchtet dem Menschen immer wieder insehr persönlich eingefärbten Bildern ein.Nicht zeitlebens auf ein Gottesbild festgelegtIch gehe davon aus, dass auch Sie Bilder von Gottin sich tragen, vielleicht ohne dass sie Ihnen bewusstsind, oder sie sind so schwierig oder negativ, dass Siesie lieber nicht anschauen mögen. Oder Sie denkenvielleicht, mit so einem Bild darf ich Gott doch nichtin Verbindung bringen.Ebenso wenig geht es beim Nachdenken um einGottesbild darum, lehramtlich zu definieren, wieGott ist. Es geht immer nur um eine Facette seinesWesens, die ich entdecke, nicht um sein Ganzes. Fürmeine Mitarbeiterin, von der ich zu Beginn berichtethabe, war Gott lange Zeit eine unnahbare Instanz,die von ihr Leistung erwartete, wie ihr Vater es biszu seiner Erkrankung getan hatte. Wie überhaupt dasBild, das ich von meinem Vater und meiner Mutterhabe, mein Gottesbild entscheidend prägt. Das ersteGottesbild, das ein kleiner Mensch hat, ist das Gesichtder Mutter und das des Vaters und die Art und Weise,Gott ist für mich wie ein Leuchtturm, sagt der Mensch,der nach einer neuen Richtung für sein Leben sucht. Wilfried Giesers / pixelio.de4wie er seinen Vater und seine Mutter erlebt. Aber dasBeispiel meiner Mitarbeiterin zeigt auch: Ich bin nichtzeitlebens auf ein bestimmtes Gottesbild festgelegt.Ich kann das Bild des strengen Leistungsgottesloslassen und mich für das Bild eines zugewandten,nahen und bedingungslos liebenden Gottes öffnen.Das ist ein großes Geschenk und eine großeVerantwortung, ja eine große Zumutung. Geschenk istdie Tatsache, dass Gott sich uns in einem Bild nähertund damit erreichbar, verstehbar wird, zumindest füreine Zeit.Der persönliche Bereich unserer BilderNeben der großen Offenbarung Gottes, wie sie unsin der Heiligen Schrift und in den Sakramentenbegegnet, kann und will uns Gott im sehrpersönlichen Bereich unserer Bilder von ihmgegenübertreten. Wohl gemerkt: Bilder, die wir unsnicht selbst zurechtbasteln, sondern Bilder, die Gottselbst in uns hineinlegt und in denen wir eine derunzähligen Facetten Gottes entdecken können. Wennes stimmt, was Papst Benedikt XVI. sagt: Es gibtso viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt, dannmeint das Gottesbild genau diese einmalige undpersönliche Beziehung zu Gott.Ich stelle mir das vor wie eine Kirche mit ihrenbunten und kunstvollen Fenstern. Sie wird denganzen Tag lang von der Sonne umgeben, und zujeder Stunde scheint das Sonnenlicht in ein anderesFenster hinein und beleuchtet ein anderes Bild inden Fenstern. So will Gott uns unser ganzes Lebenhindurch in einem anderen Bild einleuchten unduns zeigen, dass er da ist und dass er durch das, wasgerade unser Leben ausmacht, hindurchscheint.So sind also die Gottesbilder, die ich im Laufe meinesLebens erkenne, nichts anderes als ein weiterer sehrpersönlicher Versuch Gottes, mich in meinem Lebenzu erreichen und zu beschenken oder zu trösten. Unddas Geniale dabei ist, dass so ein entdecktes undfreigelegtes neues Gottesbild auch das Selbstbildeines Menschen einfärbt und prägt, ohne dass er dafürmoralische Klimmzüge oder Willensanstrengungenunternehmen muss. Sage mir, wie du Gott imMoment erlebst, und ich sage dir, was zurzeit indeinem Leben geschieht. Noch einmal das Beispielmeiner Mitarbeiterin, die ihren Vater in seinerKrankheit ganz anders erlebt und dann auch Gott neuverstanden hat: Sie hat zugleich auch angefangen, mitihren eigenen Kindern großzügiger umzugehen, alssie es vorher praktiziert hat.Bruder Dietmar BrüggemannVierzehnheiligenbruder jordans weg · Heft 4 · 2020
Bilder des AdventsDie adventliche Musik Bistum MünsterDie Lieder des Advents begleiten uns durch ihrebilderreiche Sprache zum Weihnachtsfest. Da ist dieRede von den Wächtern, die auf der Zinne rufen:„Wachet auf“ (Gotteslob 554). Denn – so führt derLiedtext weiter – der Bräutigam kommt, und dieklugen Jungfrauen werden aufgefordert, ihre Lampenzu nehmen und ihm entgegenzugehen. „Macht euchbereit zu der Hochzeit“, lautet der Auftrag. Hierwird auf das Gleichnis von den törichten und klugenFrauen Bezug genommen (Mt 25,1–13). Der Adventhat stets zwei Aspekte im Blick: Neben der Ankunftdes Messias bei der Geburt in Betlehem geht esauch um seine Wiederkunft an Ende aller Zeiten, imGleichnis dargestellt durch das Bild des Bräutigams,dem wir Christinnen und Christen entgegengehensollen.Ein weiteres Ankunftslied vergleicht Jesus Christusmit einem König. „Macht hoch die Tür, die Tormacht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“(Gotteslob 218). Das Lied beschreibt den Königbildhaft durch Symbole: „Sein Königskron istHeiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit.“ Und dieGläubigen sollen ihre Herzen für den König bereiten.bruder jordans weg · Heft 4 · 2020Gerne wird in der Adventszeit Georg FriedrichHändels „Messias“ aufgeführt. Dieses Oratoriumspannt in drei Teilen den Bogen von derAnkündigung des Gottessohns im Alten Testamentüber seine Geburt, über Tod und Auferstehung biszur Erlösung der Welt. Jesus Christus, der Messias,wird hier umfassend musikalisch ins Bild gesetzt;ihm gilt unser adventliches Erwarten. Die getrageneMusik am Beginn des Oratoriums gibt die Stimmungdes Volkes Israel wieder, das – wie Jesaja sagt – imFinstern ging (vgl. Jes 9,1), und wechselt dann insHeitere, Hoffnungsvolle als Hinführung zu der voneinem Tenor gesungenen Ermutigung: „Tröste dich,mein Volk“, denn die Knechtschaft sei nun zu Endeund die Missetat vergeben (Jes 40,1 f). Darauf folgtder Ruf des Propheten: „Bereitet den Weg des Herrn“(Jes 40,3). Diese und weitere Worte der bildhaftenprophetischen Sprache regen dazu an, sich im Adventinnerlich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten.Bruder Peter FobesDorsten5
Bilder als Botschafter des GlaubensBeispiele christlicher Kunst in der MalereiDiese Überschrift weckt wohl in jedem von uns die Vorstellung einer, mehrerer, oder sogar zahlreicherDarstellungen des christlichen Glaubens und ganz besonders im Bereich der Malerei. Zum einensind es die religiösen Inhalte der Bilder selbst, die Zeugnis der biblischen Geschichte geben und dieGläubigen ansprechen. Darüber hinaus wird aber der Betrachter durch den Stil, die malerischeQualität und die Sichtweise, die der Künstler zu einem christlichen Thema hat, angesprochen.oft ergriffen von der Schönheit des Bildnisses undfinden hierdurch im Gebet Trost, Kraft und Hilfe fürunseren Glauben.Der gekreuzigte JesuEinen weiteren breiten Raum von Bildern desGlaubens in der christlichen Kunst nehmendie Darstellungen des gekreuzigten Jesus ein.Während das Kreuzigungsbild von San Damiano(das „Franziskuskreuz“), eine Ikone aus dem11. Jahrhundert, Jesus nicht als gebrochenenLeidensmann darstellt, sondern als den bereitsAuferstandenen, als Sieger über den Tod, befreit vonallen Leiden, stellen uns viele Kreuzigungsszenenhart auf die Probe und fordern unseren Glaubenwahrhaft heraus.Raffael, Sixtinische Madonna, StaatlicheKunstsammlungen Dresden epd-bild / Jürgen MännelDas MarienbildDas Marienbild, mit oder ohne Jesuskind, ist seitdem Dritten Jahrhundert das häufigste Motiv inder christlichen Kunst. Es wurde durch Malerund Bildhauer Ausdruck der Marienverehrung.Denken wir hierbei nur an die wunderbarenMariendarstellungen von Raffael und weiterenKünstlern der Renaissance, der Gotik, der Romanikund der byzantinischen Kunst. Die Bildnisse dermeist alterslos dargestellten Gottesmutter, diemanchmal mit dem Ausdruck des zu erwartendenkünftigen Leids im Antlitz dargestellt ist, berührenunsere Herzen. Wir fühlen, empfinden mit ihr, sind6Für mich eines der ergreifendsten und durch seineEntsetzlichkeit herausforderndsten Bildnisse derHinrichtung Jesu hat der RenaissancekünstlerMatthias Grünewald mit der Kreuzigungstafelseines Isenheimer Altars verewigt. Der Flügelaltar,heute zweifelsfrei einer der weltberühmtestenKunstwerke in der christlichen Kunst, ist dasPrunkstück des Museums Unterlinden, einemehemaligen Dominikanerkloster in Colmar. Er ist alseinziges Ausstellungsstück in einem spätgotischenKirchenraum zu besichtigen. Der Künstler MatthiasGrünewald, auch genannt „Mathis der Maler“ oder„Meister Mathis“, hat seinen Altar zwischen 1512und 1516 als Auftragsarbeit für das elsässischeAntoniterkloster in Isenheim geschaffen. Der gegenEnde des 11. Jahrhunderts gegründete Antoniterordenwar ein Krankenpflegeorden und hatte sich derBekämpfung der schrecklichen todbringendenSeuchen verschrieben, von denen im MittelalterTausende von Menschen heimgesucht und hingerafftwurden. Der Schriftsteller und KunsthistorikerWilhelm Niemeyer (1874–1960), der sich intensivmit dem Isenheimer Altar beschäftigt hat, schreibt,dass die Antoniter vor Beginn der Behandlung die oftschon vom Tod gezeichneten Kranken zum Altar vordie Kreuzigungsdarstellung führten.bruder jordans weg · Heft 4 · 2020
Matthias Grünewald, Isenheimer Altar. In der Mitte die Kreuzigung Jesu, rechts hl. Antonius,links hl. Sebastian, unten in der Predella die Grablegung Jesu epd-bild / akg-images / ErichWas haben sie empfunden? Vermutlich fandensie Trost bei dem Anblick des Leidens Jesu undschöpften Hoffnung für ihr Seelenheil im Vertrauenauf den Heiland.der jeweiligen Liturgie wurden die Flügel aufoder zugeklappt. Der eindrucksvollste Teil, dieKreuzigung, ist zu sehen, wenn die Altarflügelzugeklappt sind.Der Isenheimer AltarMatthias Grünewalds Kreuzigung JesuDer Schriftsteller Elias Canetti, der im Frühjahr1927 als Zweiundzwanzigjähriger das berühmteAltarbild besuchte, hielt in seinen Erinnerungen fest:„In Colmar stand ich einen ganzen Tag lang vor demAltar. Ich wusste nicht, wann ich gekommen war,und ich wusste nicht, wann ich ging. Ich sah denLeib Christi ohne Wehleidigkeit, der entsetzlicheZustand dieses Leibes erschien mir wahr. Vordieser Wahrheit wurde mir bewusst, was mich anKreuzigungen verwirrt hatte: ihre Schönheit, ihreVerklärung. Wovon man sich in der Wirklichkeitmit Grausen abgewandt hätte, das war im Bildaufzufassen.“Man sollte vorbereitet sein, um das Gemälde aufsich wirken lassen zu können. Es ist schwer, esmit Worten zu beschreiben. Die Kreuzigung Jesuist selten so drastisch dargestellt worden wie vonMatthias Grünewald. Übermächtig hängt dergeschundene Körper an dem roh behauenen Kreuz.Der erbarmungswürdig zugerichtete, von denWunden der Geißelung über und über bedeckte Leibhebt sich vom nächtlich verfinstert dargestelltenHintergrund ab. Das Haupt mit der tief in die Stirngedrückten Dornenkrone ist nach vorne gesunkenund zeigt die ganze Qual des Sterbens. Schrecklichanzusehen sind die schmerzgespreizten, nach obenweisenden Finger der durchbohrten Hände, diefurchtbar entstellten Füße, die Seitenwunde, aus derdas Blut bis zum Lendentuch rinnt. Es gleicht derWindel des Jesuskindes beim Geburtsbild, womitAnfang und Ende des irdischen Daseins verknüpftund die Konsequenz des göttlichen Heilsplansunterstrichen wird (siehe Bild Seite 8).Der Altar besteht aus einem geschnitzten Sockel(Predella), über den sich ein dreiteiliger Schreinerhebt. Überlebensgroße, von Nikolaus von Hagenaugeschnitzte Skulpturen stellen die drei KirchenväterAugustinus, Antonius und Hieronymus dar. Weiterbesteht der Altar aus zwei feststehenden Tafeln undzwei Paar beidseitig bemalten Flügeln. Entsprechendbruder jordans weg · Heft 4 · 20207
Matthias Grünewald, Isenheimer Altar. Maria mit dem Jesuskind. Die Windelngleichen dem Lendentuch Jesu im Kreuzigungsbild. epd-bild / Ralf SchickAuf der linken Seite der Kreuzigung die Gruppe derTrauernden: Der Lieblingsjünger Johannes umfängtdie in Ohnmacht erstarrt nach hinten gesunkeneGottesmutter mit hingebungsvoller, ergreifender,trauriger Gebärde. Hilflos ineinander gepresst sindihre Hände. Magdalena, auf die Knie gesunken, wirftsich mit erhobenen Händen dem Heiland entgegen.Ihr Ausdruck zeigt Ohnmacht und Hilflosigkeit.Beide, Maria und Magdalena, scheinen fassungslosangesichts dessen, was geschah. Bei diesem Anblickkann der Betrachtende, das Leiden im Mitgefühlnachvollziehen. Auf der rechten Seite zeigt Johannesder Täufer auf den Gekreuzigten. Als Wegbereiter desHerrn weist er auf den, der die Menschheit erlöst hat.In der Darstellung der Grablegung klingt dieFurchtbarkeit und das Leiden der Kreuzigung aus.Hier wieder beeindruckt die Verkörperung derleidenden Gottesmutter. Der Betrachter kann in derDarstellung Grünewalds nachempfinden, dass ineiner Mutter, die den grausamen Tod ihres Kindesbetrauert, auch ein Teil von ihr selbst gestorben ist.Für die an Seele oder Körper Heilung suchendenBeter war und ist der Anblick der Kreuzigung Jesuauch eine Mahnung, das eigene Leiden anzunehmenim Gedächtnis an das größere Leiden Christi und anseinen Tod für die Menschheit.Wenige Jahrzehnte nach dem Tod Grünewaldswaren sich die Nachfahren bewusst, dass es sich beidem Isenheimer Altar um mehr handeln muss als8um eine normale Darstellung des Leidens Jesu. DieWirkung des Altars konnten sie in eigenen Wortennicht beschreiben. Sie beriefen sich auf die Wortedes Malers Hagerich von Chur: „Das ist Kunst“ und„Diese Kunst ist Gottesgabe“.Wer war dieser Matthias Grünewald?Über die Persönlichkeit, das Leben und Wesen desSchöpfers des Isenheimer Altars wissen wir trotzeiner Vielzahl von Veröffentlichungen namhafterHistoriker immer noch recht wenig. Geboren ist erum 1475/1480 in Würzburg, gestorben in Halle ander Saale 1528. Selbst Matthias Grünewald ist wohlnicht sein richtiger Name. Vermutlich hieß er MathisGothart-Nithart. In zeitgenössischen Urkunden istmeist von „Meister Mathis“ die Rede. Er selbstsignierte seine Werke mit den ineinandergesetztenBuchstaben MG und einem abgesetzten N. Wound bei wem er die Malerei erlernt hat, ist nichtüberliefert. In welchen Werkstätten er während seinerWanderzeit als Geselle tätig war, ist weitgehendunbekannt. Es wird aber angenommen, dass er mitBildern von Albrecht Dürer, Hans Holbein d. Ä.,Lucas Cranach d. Ä. sowie mit der niederländischenund italienischen Malerei vertraut war. Als sichergilt, dass er Auftragsarbeiten für kirchlicheWürdenträger und vermögende Bürger durchführte.Ute SannerVelbert-Nevigesbruder jordans weg · Heft 4 · 2020
Das Halleluja in TextilDie Gewänder der LiturgieWer sich am Sonntag auf den Weg in einen Gottesdienst macht, der verlässt bewusst die oftmalsanstrengende und herausfordernde Alltagswirklichkeit und begibt sich in einen Raum, der dem Alltagentzogen ist. Die Teilnahme an der Eucharistie entspringt dem urmenschlichen Bedürfnis, über sich selbsthinauszugehen und in der Begegnung mit Gott im Wort und Sakrament Heil und Stärkung zu erfahren.Grünes Messgewand: König David spielt zum Lobpreis auf.Dass so verstandener Gottesdienst nach bestimmtenRitualen vollzogen wird und einer besonderenGewandung bedarf, ist Entwicklung und Ergebnisjahrhundertelanger Praxis. Der in persona Christihandelnde Priester wird durch die liturgischeKleidung in seiner Funktion unterstützt. Ebensotreten nicht geweihte Gottesdienstbeauftragte undandere Personen, die liturgische Dienste ausüben,durch das Tragen angemessener Gewänder inihrer Individualität zurück und lassen zugleich aufansprechende Weise die Würde und Schönheit desGottesdienstes erfahrbar werden.hinausgeschickt werden. Der bunte Ärmelrockdes Josef (Gen 37,3), Geschenk und Zeichen derbesonderen Zuneigung seines Vaters, des PatriarchenJakob, wird von den elf Brüdern als Bevorzugunggedeutet und bewirkt abgrundtiefen Neid und Hass.Das leinene Gewand beim Propheten Ezechiel(Ez 9,2) wird im letzten Buch der Bibel, derApokalypse, als Ehrengewand der Erlösten (Offb7,9.14) wieder aufgegriffen. Dem fortgegangenen,verlorenen und wiederkommenden Sohn lässt derVater das beste Gewand holen als Zeichen derbedingungslosen Annahme (Lk 15,22).Die Bedeutung der Kleidung in der BibelGesamtkunstwerk LiturgieImmer schon spielen Gewänder eine bedeutendeRolle. Im Paradiesgarten bekleidet Gott Adam undEva mit Fellkleidern (Gen 3,21), als sie in die WeltDer Verkündigung des Wortes Gottes kommt imGottesdienst eine herausragende Stellung zu. Aberauch die Gewänder für die gottesdienstlichenbruder jordans weg · Heft 4 · 20209
Buder Jordan Mai (oben links) sowie die Ordensgründerin Pauline vonMallinckrodt, Bischof Konrad Martin, der Jesuit Friedrich Spee und Abbé FranzStock auf einem Festgewand mit der Paderborner BistumsgeschichteFeiern tragen neben der sorgfältigen musikalischenGestaltung und dem heiligen Altargerät zum„Gesamtkunstwerk Liturgie“ bei. Sie haben sich seitder Antike aus der Standeskleidung der römischenBeamten entwickelt. Die Fertigung und Gestaltungstellte für die Textilkunst immer eine besondereHerausforderung dar. Sollen die Gewänder dochder Feier dienen, in der Gott, unserem Schöpferund Erlöser, Anbetung und Lobpreis dargebrachtwerden und das Heilsgeheimnis von Leiden, Tod undAuferstehung Jesu Christi begangen wird. Zugleichaber unterliegt die liturgische Kleidung immer auch10dem Zeitgeschmack und den liturgisch-praktischenErfordernissen, sodass immer neu die angemesseneForm und Gestaltung gefunden werden muss.Lange Zeit standen die priesterlichen Gewänder imMittelpunkt der gestalterischen Aufmerksamkeit.Sie konnten in Zeiten, als der Zugang zu Buch undBuchstabe dem einfachen Volk verwehrt war, durchihre Gestaltung Glaubensverkündigung sein. Seitdas Zweite Vaticanum das Allgemeine Priestertumaller Getauften hervorgehoben hat und Männer undFrauen zunehmend liturgische Dienste wahrnehmen,bruder jordans weg · Heft 4 · 2020
kann man sich der Mühe nicht entziehen, auch hiernach einem angemessenen Ausdruck der Kleidung zusuchen. Meist ist dies ein weißes Gewand, das an dasTaufkleid erinnert und damit an die unauslöschlicheWürde der Gotteskindschaft, die jedem Christen inder Taufe zugesagt wird.Gestaltung und Herstellung der GewänderZu allen Zeiten fanden für die Feier der Liturgie edleStoffe Verwendung: Für das Untergewand feinstesLeinen, für das Obergewand vornehmlich Seide miteingewebten Mustern oder kostbarer Handstickerei,Samt und ebenfalls gefärbte Leinwand. Heutewerden auch hochwertige Mischgewebe verwandt,die leichter zu handhaben sind.Die sorgfältige Fertigung der kirchlichenTextilien oblag häufig Frauenklöstern, diedamit ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten.Heute existieren nur mehr wenige klösterlicheParamentenwerkstätten.Die Schwestern der BenediktinerinnenabteiVarensell widmen sich seit Gründung des Klostersim Jahr 1902 der Gestaltung und Herstellung vonliturgischen Gewändern und anderen Textilien, diefür die Feier der Liturgie gebraucht werden. Da mitder gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungneue Ausdrucksformen erforderlich sind, ist auchin der Paramentik künstlerische Kreativität nötig.Die Balance zwischen Tradition und Innovationbringt Lebendigkeit und Freude an der Arbeit mitsich. Verkündigung durch Handarbeit entspricht derJakobsmuscheln,Randbetonung eines weißen MessgewandesRegel des heiligen Benedikt. Sein sprichwörtliches„ora et labora“ wird bei der Arbeit in derParamentenwerkstatt zu einem „Halleluja in Textil“!Sr. Ruth Ochmann OSB und Sr. Lioba Dellian OSBVarensellBildnachweis: Abtei VarensellDie liturgischen FarbenNeben der Form und textilen Gestaltung spielen die liturgischen Farben eine bedeutende Rolle.Weiß, die Farbe des Lichtes, ist der Weihnachts- und Osterzeit vorbehalten, sowie einzelnen Festenim Kirchenjahr.Rot symbolisiert das Feuer des Heiligen Geistes (Pfingsten, Firmung) und erinnert an die Glut derLiebe, mit der die Blutzeugen ihr Leben für Christus hingegeben haben (Feste der Märtyrer).Im liturgischen Alltag werden grüne Paramente getragen, die hinweisen auf Wachstum undEntfaltung des Glaubens und der Hoffnung.Violett, die Farbe der Erwartung einerseits und der Buße und Umkehr andererseits, prägt den Adventund die Fastenzeit.An den beiden Sonntagen der Vorfreude Gaudete (3. Adventssonntag) und Laetare (4. Fastensonntag)wird das dunkle Violett zu einem Rosa aufgehellt.Schwarz kann als Farbe der Trauer an Allerseelen und bei Begräbnissen getragen werden.bruder jordans weg · Heft 4 · 202011
Jauchzen in der StilleGebet zu Psalm 95,1–7a – Rogate 2020Heute jauchze ich nur ganz leise, mein Gott.Und du hörst mich.Heute verberge ich mein Gesicht hinter der Maske.Und du siehst mich.Das ist mir wichtig.Dass du mich hörst.Dass du mich siehst.Auch die anderen um mich herum.Zu denen ich Abstand halten muss.Die – wie ich – nur leise jauchzenund Masken tragen.Das ist wirklich schwer.Darum, mein Gott:Nimm unser Bitten in deine Hand.Die Sorge ist groß.Behüte unsere Freude.Denn sie ist grad so flüchtig.„In deiner Hand sind die Tiefen der Erde,und die Höhen der Berge sind auch dein.“Das möchten wir spüren.Hilf uns dabei.Jetzt und immer.Text: Doris Joachim, Referentin für Gottesdienst Zentrum Verkündigung der EKHNMaskenpflicht bei der Diakonenweihe am 10. Mai 2020 im Sankt-Paulus-Dom zu Münster Bistum Münster / Achim Pohl12bruder jordans weg · Heft 4 · 2020
Bilder des AdventsEine Zeit des WartensDie Jesuitenkirche zu Luzern im Abendlicht Thomas Beckert / pixelio.deWer im Advent eine Kirche besucht, wird sichvielleicht wundern, wenn der Altarraum nicht mitBlumen geschmückt ist. Umso mehr aber kommtdas schlichte und doch ausdrucksvolle Symbol desAdventskranzes in den Blick. In der sonntäglichenEucharistiefeier entfällt das Gloria und die Farbe desMessgewands ist – wie in der Fastenzeit – Violett.Jedes Jahr nehmen wir diese Bilder in uns auf. DieLiturgie verzichtet auf besondere Festlichkeit, dennWeihnachten, das große Fest, steht erst bevor, und imAdvent heißt es, zunächst mal zu warten.Menschen tun sich oft schwer mit dem Warten. „Ichwill alles, und zwar sofort“, ist manchmal zu hören.Doch das Warten hat einen tieferen Sinn; es hat einZiel vor Augen und ist keine Zeit des Nichtstuns.Zwar wird von uns Geduld verlangt, aber das Wartenist nicht langweilig. Neben so manchem, das fürWeihnachten vorbereitet werden muss, dient dieZeit vor allem dazu, sich innerlich auf die Ankunftdes Messias einzustimmen. Hierzu helfen uns dieBilder, die in den Lesungen der Liturgie aufstrahlen.bruder jordans weg · Heft 4 · 2020Jetzt in der Coronakrise ist es nicht so einfach, zurMessfeier zu gehen, aber in den Gottesdiensten,die das Fernsehen, Internet und Radio übertragen,können die Texte aufmerksam gehört werden. Daspricht der Prophet Jeremia im Namen Gottes: „Injenen Tagen und zu jener Zeit werde ich für Davideinen gerechten Spross aufsprießen lassen. Er wirdRecht und Gerechtigkeit wirken im Land“ (Jer33,15). Die Zeit, in der sich diese Verheißung erfüllt,hat nach christlicher Auffassung mit der GeburtJesu begonnen. Ihm den Weg zu bereiten, ist danndie Aufforderung Johannes des Täufers: „Machtgerade seine Straßen“ (Lk 3,4). Und am ViertenAdventssonntag des Lesejahrs B, das diesmal ander Reihe ist, richtet der Engel Gabriel an Mariadie Botschaft, sie werde den – wie ihr gesagt wird –Sohn Gottes zur Welt bringen. Für sie beginnt nundie Schwangerschaft als Zeit des Wartens, in dersie bei ihrer Cousine Elisabeth das Lied anstimmt:„Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (Lk 1,46).Bruder Peter FobesDorsten13
In Frieden entschliefenAnton Ax – EssenWilli Plett – SchmallenbergAdelheid Buschmann – AttendornMarianne Plöger – PaderbornJohannes Halekoh – HagenAnni Prinz – WarendorfMarianne Henkenötter – DortmundFranz Schröer – EssenIrmgard Marcinkowski – RecklinghausenErich Volkmer – WernePfr. i.R. Franz-Theo Ostermann – KleveWir danken Bruder JordanHeute möchte
21 Heilig-Land-Reisen 22 Haus Ohrbeck 23 Exerzitienhaus Hofheim 24 Bruder-Jordan-Wallfahrten Berichte über das Leben und den Seligsprechungsprozess des Diener Gottes Bruder Jordan Mai (1866-1922) 66. Jahrgang – Heft 4/2020 Diese Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Herausgeber: Bruder-Jordan-Werk