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luodmenemhTWas läuft denn da? Medien im Alltagentdecken und verstehenDas vorliegende Material unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, Kinder im Alter von drei bissechs Jahren in ihrer Medienkompetenz frühzeitigzu stärken. Das Themenmodul zeigt, wie das ThemaMedien im Alltag im Elementarbereich altersent-sprechend, entwicklungsangemessen und lebensnah in den pädagogischen Alltag eingebunden underste Grundlagen für einen bewussten Umgang mitMedien gelegt werden können.
2Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenÜberblick„Kindheit heute ist Medienkindheit. Dies kann angesichtsder Medienentwicklungen in den letzten Jahrzehnten fastals Gemeinplatz gelten.“ Ingrid Paus-Hasebrink/Michelle Bichler [1]Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenTitelDrei- bis sechsjährige Kinder in KindertageseinrichtungenAltersstufeMedien spielen auch bei kleinen Kindern bereits eine sehr große Rolle. Schondie Kleinsten tippen auf dem Smartphone oder dem Tablet herum und haben großen Spaß an den bewegten Bildern und lustigen Tönen. Medien sindfür sie vor allem Spielgeräte und Geschichtenerzähler. Die Folgen ihres Medienumgangs können Kinder oftmals nicht voraussehen und abschätzen. UmKinder frühzeitig an einen kompetenten Umgang mit Medien heranzuführen,ist es notwendig, das Thema „Medien“ in den Kindertageseinrichtungen aufzugreifen.InhaltDas vorliegende Material bietet hierfür eine gute Basis. Es beleuchtet das Medienensemble der Altersgruppe und geht auf die verschiedenen Medienarten und ihre Wahrnehmung ein. Auch überfordernde Medienerlebnisse undMerkmale kindgerechter Medienangebote werden thematisiert. Das Material enthält Anregungen, wie Kinder spielerisch und entwicklungsangemessenan einen kompetenten Umgang mit Medien im Alltag herangeführt werdenkönnen. Auch das Thema „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ mit Elternwird aufgegriffen.Die Bildungsziele beziehen sich auf den Bayerischen Bildungs- undErziehungsplan: Medientechnik verstehen Wissen zur Funktionsweise zur selbstständigen Mediennutzung erlangen BildungszieleInformations- und Kommunikationsgeräte im Lebensalltag entdecken undderen Verwendungs- und Funktionsweise erfahrenMit Medien bewusst und kontrolliert umgehen und Alternativen zurMediennutzung kennenlernenMedienerlebnisse emotional und verbal verarbeitenVerständnis der Medien erweiternMedienbotschaften und -tätigkeiten durchschauen und kritischreflektierenInhaltStiftung Medienpädagogik Bayern
3Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenMedien begegnen mirüberall im Alltag.Einleitung„Fernsehen, Bilderbücher und Hörkassetten werden von Vorschulkindern am häufigsten und intensivsten genutzt. Aber auch derComputer und das Smartphone werden mehr und mehr zu interessanten Medien im Alltag. Für Kinder sind die verschiedenenMedien vielfach eine Erweiterung ihrer sonstigen Erfahrungsmöglichkeiten [ ]. Allerdings führt dies neben positiven Effekten auchzu pädagogischen Herausforderungen für Eltern und pädagogischeFachkräfte.“ Prof. Dr. Norbert Neuß [2]Populäre und wissenschaftliche Debatten zum Einfluss der Medien auf Kinder und ihre Kindheit sindso unterschiedlich wie umfangreich. Die zunehmende Präsenz von Medien im Alltag der Kinderist jedoch unumstritten und wird häufig mit demBegriff der „Medienkindheit“ beschrieben.„Medienkindheit“ unddie Vorbildfunktion der FamilieRadiohören beim Kochen, der stetige Blick auf dasSmartphone oder gemeinschaftliches Fernsehen –Kinder erleben in ihrer Familie häufig, dass Medienzum Alltag gehören. Viele Medienangebote richtenEinleitungsich oft nicht direkt an Kinder, sie beobachten häufig andere dabei, wie sie Medien nutzen. Doch auchdas spezifische Medienangebot für die Kleinsten istbereits sehr groß: Bücher, Hörmedien, (Online-)Spiele, Websites, Videos, Filme und Apps habenlängst auch die Zielgruppe der Drei- bis Sechsjährigen erreicht. Und dass diese Medien auf Kindereine große Faszination ausüben, steht außer Frage.Medien strukturieren häufig sogar den familiärenAlltag; so sind in vielen Familien zum Beispiel die„Tagesschau“ oder „Unser Sandmännchen“ oderdas morgendliche Radiohören und Zeitunglesenfeste Punkte im Tagesablauf.Welche Medien ein Kind kennt und nutzt, wie lanStiftung Medienpädagogik Bayern
4Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenDie starke Präsenz der Medien im Alltag der Kinder hat zurFolge, dass Medien und der kompetente Umgang damit immerhäufiger Thema im Alltag von Kindertageseinrichtungen sind.ge es sich damit beschäftigt und für welche Inhaltees sich interessiert, wird in hohem Maße von denNutzungsgewohnheiten in der Familie bestimmt.Familienmitglieder sind für die jungen Mediennutzerinnen und -nutzer wichtige Vorbilder, an denensie sich in ihrem Verhalten und in ihren Bewertungen von Angeboten orientieren. Insbesondere Situationen, in denen Medien gemeinsam genutztwerden, die also auch die Vorlieben der anderenFamilienmitglieder widerspiegeln, sind in diesemZusammenhang wichtig.Mediennutzung begleiten und die Verarbeitungvon Medienerlebnissen unterstützenErwachsene beeinflussen jedoch nicht nur durchihr eigenes Medienverhalten die Mediennutzungvon Kindern. Bei jüngeren Kindern hat auch die aktive und stetige Begleitung ihrer Mediennutzungdurch Eltern und pädagogische Fachkräfte einenwichtigen Stellenwert. Die Erwachsenen wählenzum Beispiel geeignete Medienangebote aus undschützen Kinder so vor nicht altersgerechten Inhalten. Sie unterstützen Kinder außerdem dabei, Medien bewusst zu nutzen, sie zu verstehen und dieeigene Mediennutzung zu steuern.Auch bei der Verarbeitung von (überfordernden)Medienerlebnissen brauchen jüngere Kinder Unterstützung von Erwachsenen, ebenso wie bei derEntwicklung eigener Verarbeitungsstrategien. Dazuist es wichtig, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte wissen, welche Inhalte Kinder überfordernkönnen, also warum diese Inhalte sie zum Beispielverängstigen oder verstören können, und welcheStrategien bei der Bewältigung negativer Medienerfahrungen hilfreich sind.Begleitung der Mediennutzung heißt auch, Hilfestellung zur Selbstständigkeit zu leisten. Gerade dieenge Begleitung bietet Kindern einen geschütztenRaum, um eigenständig Erfahrungen zu sammeln.EinleitungDie Bedeutung desThemas für KindertageseinrichtungenDie starke Präsenz der Medien im Alltag der Kinderhat zur Folge, dass Medien und der kompetenteUmgang damit immer häufiger Thema im Alltagvon Kindertageseinrichtungen sind. Für die pädagogische Arbeit ist es gewinnbringend einen derartwichtigen Aspekt der kindlichen Lebenswelt aufzugreifen. Zumal Kindertageseinrichtungen auchselbst Medien aller Art für ihre Arbeit nutzen, angefangen bei Vorlesebüchern, Digitalkameras undLieder-CDs bis hin zu spezieller Lernsoftware fürVorschulkinder.Bayerische Landeszentrale fürneue Medien (BLM)iDie Förderung vonMedienkompetenzzählt zu den gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben derBLM. Bereits seitvielen Jahren setzt sie sich für einen bewussten, kritischen und reflektierten Umgang mitMedien ein. Die Landeszentrale möchte Elternund pädagogisch Tätige in ihrer Medienerziehungsarbeit unterstützen. Sie bietet hierfürzahlreiche Informationsveranstaltungen und-materialien zu aktuellen Themen der Medienpädagogik an und engagiert sich in vielenProjekten und Initiativen mit dem Ziel, einenverantwortungsbewussten und selbstbestimmten Umgang mit Medien zu fördern.www.blm.deStiftung Medienpädagogik Bayern
5Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenMit ihrer medienpädagogischen Arbeit bieten Bildungseinrichtungen sowohl Kindern als auch Elternwichtige Unterstützung. Sie können Eltern zum Beispiel Hilfestellung bieten und bei der Bewertungvon Medienangeboten und bei der altersgerechten und entwicklungsangemessenen Gestaltungder Mediennutzung unterstützen. Auch bei Fragenoder Schwierigkeiten im Medienalltag können Bildungseinrichtungen Eltern beraten. Die Kinder können sie spielerisch und altersgerecht an das Thema„Medien“ heranführen und sie bei der Verarbeitung von Medienerlebnissen gezielt unterstützen.Bei der Begleitung der kindlichen Mediennutzungbringen die Pädagoginnen und Pädagogen ihr spezielles Fachwissen ein, sodass dabei beispielsweiseauch wichtige entwicklungspsychologische Aspekteund wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigtwerden. So ergänzen und erweitern Bildungseinrichtungen mit ihrer Arbeit die elterliche Begleitung und stärken die Kinder frühzeitig in ihrer Medienkompetenz.„Medien sind von Anfangian Teil der kindlichen Lebenswelt und werden vonKindern mit viel Neugierentdeckt. PädagogischeFachkräfte sowie Elterndürfen Kinder beim Umgang mit Medien nichtalleine lassen. Wird es mal zu spannend odergibt es Fragen, brauchen Kinder die Gewissheit, dass ihre Bezugspersonen ihnen mit Ratund Tat zur Seite stehen.“Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BayerischenLandeszentrale für neue Medien (BLM)Medienführerschein BayernMit dem vorliegenden Themenmodul erhalten SieAnregungen, wie Sie das Thema „Medien im Alltag“in Ihrer Einrichtung aufgreifen können. Neben wichtigen Hintergrundinformationen für die medienpädagogische Arbeit bietet das Kapitel „Bildungspartnerschaft mit Eltern“ einen Überblick über gängigeFragen von Eltern. Zudem können die thematischpassenden Praxisbeispiele als Anregungen für dieeigene pädagogische Arbeit dienen. Weiterführende Informationen finden sich am Ende des Moduls.EinleitungStiftung Medienpädagogik Bayern
6Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenOb ich damit auchspielen kann?Hintergrund„Kinder und Jugendliche haben Medien ganz selbstverständlich inihren Alltag integriert. [.] Je bedeutender Medien im Alltag derKinder und Jugendlichen werden, umso mehr steigen auch dieAnforderungen an ihre Medienkompetenz.“Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [3]Die folgenden Hintergrundinformationen geben einen Einblick in die frühkindliche Medienwelt. Dazuwird das Medienensemble dieser Altersgruppe beleuchtet und auf die verschiedenen Medienartenund ihre Wahrnehmung eingegangen.Auch die Frage, welche Medienerlebnisse Kinderüberfordern können und warum dies so ist, wirdbeantwortet. Eine Übersicht stellt Merkmale kindgerechter Medienangebote vor – als Orientierungshilfe für die Auswahl geeigneter Medienangebote.Das Kapitel enthält zudem Anregungen, wie im pädagogischen Alltag der Umgang mit Medien spielerisch, altersgerecht und entwicklungsangemessenaufgegriffen werden kann.HintergrundLesen Sie mehr unter: Das Medienensemble der KinderMedienarten und ihre WahrnehmungÜberfordernde MedienerlebnisseMerkmale kindgerechter MedienangeboteMedien als technische GerätePraktische Tipps für den AlltagStiftung Medienpädagogik Bayern
7Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenDas Medienensemble der KinderWelche Medien ein Kind wie lange, wie oft und inwelcher Weise nutzt, wird bei Kindern im Elementarbereich unter anderem davon beeinflusst, welches Medienangebot konkret verfügbar ist. Auchdie situationsabhängige Stimmung und die familiären Gewohnheiten bei der Mediennutzung habenEinfluss darauf. Die konkrete Mediennutzung einesKindes gestaltet sich daher sehr individuell. So können Aussagen über eine ganze Altersgruppe auchkein Ersatz sein für einen individuellen Blick auf daseinzelne Kind und die aktuellen Themen und Bedürfnisse. Dennoch ist die Auseinandersetzung mitStudien und Erkenntnissen zu einer bestimmten Altersgruppe wichtig und hilfreich. Dies ermöglicht,sich einen Überblick über aktuelle Nutzungsdatenzu verschaffen und Trends zu erkennen.Wenn Kinder in diesem Alter selbst Medien besitzen, dann sind dies meist Bücher und Abspielgeräte wie CD- oder MP3-Player. Erst mit dem Schuleintritt besitzen sie zunehmend auch eigene Geräte wie Handys oder Smartphones, Computeroder Laptops sowie Fernseher. [5] Trotzdem habenkleine Kinder oft über andere FamilienmitgliederZugang zu den verschiedenen Medien. Diese werden dabei entweder mit ihnen gemeinsam genutztoder aber in ihrem Beisein, wenn ein Kind zum Beispiel die Eltern bei der Nutzung ihres Smartphonesbeobachtet. Die Kombination aus Zugang und Verfügbarkeit von Medien wirkt sich dabei vielfach aufdie Nutzungshäufigkeiten und -vorlieben von Kindern aus.Anders als bei älteren Zielgruppen gibt es für Kinder im Elementarbereich aktuell nur wenige Untersuchungen über den Umfang ihrer Mediennutzungund -erfahrungen. Die vorhandenen Studien machen jedoch deutlich, wie sich die Mediennutzungkleiner Kinder derzeit entwickelt und welche Aspekte dabei von Bedeutung sind.Mediennutzung und -vorliebenMedienausstattung in der FamilieDie Mehrzahl der deutschen Haushalte, in denenKinder im Alter zwischen zwei und fünf Jahren leben, ist umfangreich mit Medien ausgestattet: In 85 Prozent der Haushalte gibt es DVD-Player. Praktisch alle Haushalte verfügen über einenInternetzugang, ein Fernsehgerät und Handysbeziehungsweise Smartphones. [4]Über 95 Prozent verfügen über Computer beziehungsweise Laptops und Radiogeräte.In den Familien sind Medien also allgegenwärtig,auch wenn Drei- bis Sechsjährige meist noch keineeigenen Mediengeräte besitzen.HintergrundGanz oben auf der Liste der am häufigstenund am liebsten genutzten Medien stehenbei den zwei- bis fünfjährigen KindernHörmedien, Fernsehen und dieBeschäftigung mit Büchern.Videos, DVDs und Computerspiele reihen sich mitdeutlichem Abstand dahinter ein.Mehr als die Hälfteder Kinder hat bereitseinenLieblingsfernsehsender. DeutlicherFavorit ist der KiKA,gefolgt von SuperRTL,Disney Chanel und Nickelodeon. Auch beimFernsehprogramm haben Kinder oftmals schoneine eigene Lieblingssendung. Die Vorlieben sinddabei so unterschiedlich wie die Interessen derKinder. Zu den beliebtesten Kindersendungen gehören „Unser Sandmännchen“, „Die Sendung mitder Maus“, aber auch „Wickie und die starken Männer“.Stiftung Medienpädagogik Bayern
8Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenAm liebsten spielen Kinder einfach oder sie beschäftigen sich mitBüchern. Das Fernsehen ist für die Vier- bis Fünfjährigen ungefährgenauso wichtig wie das Treffen mit Freunden.Zwei- bis Fünfjährige verbringen pro Tag fast eineDreiviertelstunde ihrer Freizeit mit Fernsehguckenund knapp eine halbe Stunde mit Büchern. Computer und Laptop beziehungsweise Computer- oderOnlinespiele haben noch einen recht geringen Stellenwert bei Kindern dieser Altersgruppe: Sie verwenden dafür im Durchschnitt nur etwa fünf Minuten pro Tag. Medien werden meistens gemeinsammit anderen Familienmitgliedern genutzt. So sehen, hören oder lesen die Kinder Fernseh- undRadioprogramme, Filme und Bücher in erster Liniemit ihren Eltern oder Geschwistern. Hörspiele undHörbücher werden hingegen von über 40 Prozentder Kinder eher alleine genutzt. [5]barkeit einiger Medien für kleine Kinder ist, dassmedienfreie Aktivitäten im kindlichen Alltag zu kurzkommen. Die nachfolgende Grafik [6] zeigt jedoch,wie facettenreich die beliebtesten Freizeitaktivitäten von Kindern sind und dass das Verhältnis vonmediengebundenen und medienfreien Aktivitätendurchaus ausgewogen ist.Am liebsten spielen Kinder einfach oder sie treffenFreunde. Das Fernsehen ist für die Vier- bis Fünfjährigen ungefähr genauso wichtig wie Sport zutreiben. Und Kinder zwischen zwei und fünf Jahrenmalen, zeichnen und basteln lieber, als dass sie Videos oder DVDs ansehen.Kindliche Freizeitaktivitäten sind zudem sehr vielfältig. Das zeigen die weiteren Nennungen: Musikoder Radio hören, selber musizieren, Computerspiele sowie Kinobesuche und Hörspiele sind beikleinen Kindern sehr beliebt.Stellenwert von MedienEine verbreitete Befürchtung angesichts der umfassenden Medienausstattung und der freien Verfüg-Ak vitäten im Alltag von Vier- bis Fün ährigen 2018- mindestens einmal pro Woche draußen spielen98,5Freunde treffen94,9Malen/Zeichnen/basteln91,2Musik hören84,3Buch anschauen/vorlesen82,9Hörspiele anhören72,6Fernsehen66Radio hören65,4Sport treiben56,4DVDs sehen31,5Spiele auf dem Tablet, Smartphone,Computer oder Spielekonsolen spielen28,8YouTube schauen15,3Musizieren13,8Internet nutzen7,9Ins Kino gehen1,20%20 %40 %60 %80 %100 %Eigene Darstellung, Quelle: Kinder Medien Studie 2018HintergrundStiftung Medienpädagogik Bayern
9Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenBedeutung von Medien für Kindernetseite, die auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt ist. In Begleitung von Erwachsenen könnenKinder auch hier spielerisch Neues entdecken.Medien sind fester Bestandteil des kindlichen Alltags und stellen wichtige Begleiter aufdem Weg des Erwachsenwerdens dar,da sie unter anderem dabei helfen,Entwicklungsaufgaben zu bewälKindertigen. Dabei übernehmen Mediund Medienen je nach Altersstufe verschiedene Funktionen. Für Kinderim Elementarbereich sind Medien:Gegenstände: Kinder zwischendrei und sechs Jahren sind nochdamit beschäftigt, ihre reale Umwelt zu erfassen und zu begreifen.Sie erkunden neugierig ihre Welt undnehmen natürlich auch Medien als Gegenstände wahr, die sie für sich entdeckenwollen.Geschichtenerzähler: Bei der Mediennutzung stehen vor allem die erzählten Geschichten im Vordergrund. In den Geschichten werden Erfahrungen,Wissen und Emotionen vermittelt. Neben Vorlesebüchern und Hörspielen sind auch schon audiovisuelle Inhalte wie Filme und Fernsehserien fürDrei- bis Sechsjährige faszinierend.Wissensquellen: Medien spielen bei der Suchenach Informationen eine wichtige Rolle. Neben Büchern sind auch Hörspiele oder Filme eine wichtige Wissensquelle. Auch im Fernsehen finden sichaltersgerecht aufbereitete Informationen in speziellen Fernsehsendungen für Kinder. Teilweise gibtes zu diesen Sendungen auch eine passende Inter-HintergrundOrientierungsquellen: In den Medien finden Kinder vielfältige, zumTeil auch zweifelhafte Vorbilder. Auch die Ausformung vonWerten ist durch Medien geprägt. Von klein auf spielenKinder Medieninhalte nachund erproben dort geseheneVerhaltensweisen. Um dasGesehene beziehungsweiseErlebte zu verarbeiten undrichtig einordnen zu können,brauchen sie die Unterstützungvon Erwachsenen.Spielkameraden: Kinder nutzen verschiedene Medien zum Spielen, zum Beispiel altersgerechte Spiel- und Malprogramme auf dem Computer, Smartphone beziehungsweise Tablet-PC.Bereits für Kinder ab vier Jahren gibt es geeignete Angebote, die sie in Begleitung nutzen können.Aber auch die Medienfiguren einer Geschichtekönnen in der Fantasie der Kinder zum Spielkameraden werden.Unterhaltung, Information und Orientierung – Medien können für Kinder viele Funktionen erfüllen.Sie dürfen Kindern auch einfach mal Spaß bereiten. Gleichzeitig ist es wichtig, Kindern alternativeAngebote zu machen, mit denen dieselben Funktionen auch ohne Medien erfüllt werden können:zum Beispiel durch Erzählen einer Geschichte, gemeinsames Spielen, Beantworten von Fragen. DenMedien wird so im Alltag kein übermäßiger Stellenwert eingeräumt, sie übernehmen die Rolle einesergänzenden Angebots [7].Stiftung Medienpädagogik Bayern
10Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenMedienarten und ihre WahrnehmungEine Kategorisierung der verschiedenen Medienarten ist anhand der Sinne möglich, über die sie wahrgenommen werden. Dementsprechend gibt es auditive Medien, deren Wahrnehmung ausschließlichüber den Hörsinn erfolgt, visuelle Medien, die überden Sehsinn aufgenommen werden, und audiovisuelle Medien, bei denen beide Sinne eingesetztwerden. Eine weitere Kategorie sind interaktiveMedien: Das sind zum Beispiel Computerspiele,Apps und Anwendungen oder auch Webseiten imInternet, die parallel auditive und visuelle Sinneskanäle ansprechen und darüber hinaus eine direkteEinflussnahme auf das Geschehen ermöglichen.Die verschiedenen Medien beeinflussen zudemdie Nutzungsweise unterschiedlich stark. Bei reinvisuellen und statischen Medien wie Fotos oderBüchern bestimmt der Nutzer zum Beispiel selbst,wie lange und in welchem Tempo er sich mit demMedium beschäftigt. Bei dynamischen visuellenund audiovisuellen Medienarten bestimmt hingegen in hohem Maße das Medium die Nutzungszeitund Wahrnehmungsgeschwindigkeit.Eigenständige MediennutzungDas Schaubild [8] zeigt, dass gerade rein visuelleMedien schon sehr früh bewusst ausgewählt undeigenständig genutzt werden, während sich derGrad der Selbstbestimmung und Selbstständigkeitin Bezug auf interaktive Medien erst ab dem Vorschulalter erhöht. Hieraus lässt sich bereits ablesen, dass insbesondere die visuellen und auditivenMedien, die jeweils nur einen Sinneskanal ansprechen, für kleine Kinder eigenständig nutzbar sind,vor allem mit Blick auf ihre Aufmerksamkeits- undKonzentrationsleistungen. Gleichzeitig zeigt diesaber auch, dass sich Kinder spätestens ab demzweiten Lebensjahr für Medien aller Art interessieren und diese auch aufmerksam wahrnehmen undnutzen, sofern sie verfügbar und zugänglich sind.HintergrundALTER IN JAHRENMEDIEN1 234567 89 10AUDITIVBILDERBUCHFOTOAUDIOVISUELLDIGITALE samkeit/WahrnehmungKurzzeitige, auch zufällige Konzentration auf das Medium undprimär emotionale Reaktion auf Bilder und TöneWünsche/VorliebenBewusste mit bestimmten Erwartungen verbundene Zuwendung zum MediumEigenständiger UmgangSelbstbestimmte Auswahl und Handhabung des Mediums mitbewusster Konzentration auf bestimmte Medieninhalte undTätigkeitenAktives Arbeiten mit MedienEigenständige und produktive Nutzung des Mediums als Ausdrucksmittel in inhaltlicher und technischer HinsichtWas fasziniert Kinder an Medien?Medien begeistern Kinder neben dem Inhalt durchverschiedene Eigenschaften. Dabei faszinieren, jenach Medienart, unterschiedliche Aspekte:Visuelle Medien wie Bücher oder Bilder und auditive Medien wie CDs oder MP3 stehen Kindernim Alter von drei bis sechs Jahren in der Regel zurfreien Verfügung. Kinder können diese Medienmeist selbstständig auswählen und nutzen. Daserklärt bereits einen Teil der Faszination: die Mög-Stiftung Medienpädagogik Bayern
11Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenlichkeit, selbstbestimmt zu entscheiden. Darüberhinaus sprechen rein visuelle und auditive Medienjeweils nur einen Sinneskanal an, wodurch sich dieInformationsdichte verringert, was wiederum derAufmerksamkeitsleistung und dem Konzentrationsvermögen jüngerer Kinder sehr entgegenkommt.Bilderbücher und Hörgeschichten werden zudemmeist in gemütlicher und vertrauter, häufig auchritualisierter Atmosphäre, wie beispielsweise beimZu-Bett-Gehen, konsumiert und ermöglichen eineninneren Rückzug.Audiovisuelle Medien begeistern durch verschiedene Aspekte: Schnelle Bildfolgen, die Kombinationaus Bild und Ton und der Realitätsbezug beeindrucken und fesseln Kinder ebenso wie Erwachsene.Zugleich wirken Eltern auch bei der Faszination füraudiovisuelle Medien als Vorbilder: Insbesonderedas Fernsehen als Leitmedium der Erwachsenen istauch bei Kindern jeden Alters beliebt. Darüber hinaus bieten das gemeinsame Fernsehen oder Filmgucken Nähe und Austausch innerhalb der Familie.Interaktive Medien wie Computerspiele oder Appsauf mobilen Endgeräten begeistern Kinder, weil siedort direkt eingreifen und mitbestimmen können.Kinder sind fasziniert, wenn sie Figuren oder Elemente selbst steuern können und die Effekte ihresHandelns unmittelbar erleben. Des Weiteren istdie intuitive und einfache Handhabung von Touchscreens für Kinder besonders interessant, da siederartige Geräte sehr schnell selbstständig bedienen können. Das eröffnet ihnen neue Handlungsspielräume und sorgt häufig auch für Begeisterungsowie Anerkennung seitens der Erwachsenen. Diekindliche Faszination wird zudem wie bei audiovisuellen Medien auch durch äußere Faktoren beeinflusst: Je nachdem, wie häufig die Erwachsenenihre Handys, Smartphones und Tablets nutzen oderwie streng die Nutzungsregeln festgelegt werden,steigt die Faszination der Kinder für diese Medien.HintergrundMediennutzung in Abhängigkeitvom EntwicklungsstandDie Fähigkeit Medien auszuwählen, wahrzunehmen, zu verstehen und zu verarbeiten ist bei Kindern eng mit ihrem Entwicklungsstand und ihremErfahrungsschatz sowie dem sozialen und kulturellen Kontext verbunden. Wichtige Voraussetzungensind die sprachliche Entwicklung, die Konzentrationsfähigkeit und das abstrakte Denken. Danebensind die Themen und Figuren der Geschichten undDarstellungen von Bedeutung: Vor allemInhalte, die das Interesse durch alltags- und entwicklungsrelevanteThemen wecken, erfahren Aufmerksamkeit und Zuwendung.Kinder können einen direkten Bezug zu ihrer eigenenLebenswirklichkeit herstellen, wenn zum Beispiel dasKleinsein und der damitverbundene Wunsch nachmehr Selbstständigkeit oderauch die Angst vor dem Alleinsein kindgerecht thematisiertwerden.Aufgrund ihrer noch eher gering ausgeprägten Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung interessieren sich drei- bis sechsjährigeKinder insbesondere für Medienangebote mit einer einfachen Dramaturgie und einer kurzen Dauer.Auch der Umstand, dass Medien immer wieder angeschaut oder angehört werden können, trägt zumInteresse der Kinder bei, ergeben sich daraus dochEffekte wie das Erinnern und Wiedererkennen.Der individuelle Entwicklungsstand ist entscheidend für die Verarbeitung von Medieninhalten.Kinder müssen die vermittelten Informationenentschlüsseln und interpretieren und das Wahrgenommene im Zusammenhang mit ihrer eigenenLebenswirklichkeit bewerten, einordnen und nichtzuletzt auch verstehen [9].Stiftung Medienpädagogik Bayern
12Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenÜberfordernde MedienerlebnisseDie Frage nach einer möglichen Überforderungvon Kindern durch Medienangebote kann nichtpauschal beantwortet werden. Vielmehr ist der individuelle Entwicklungsstand des jeweiligen Kindeszu berücksichtigen. Ein Angebot, das einige Kinderlangweilt, kann gleichzeitig andere Kinder im selben Alter überfordern und ängstigen.Fiktive und reale Gewalt in MedienKinder können in ihrer alltäglichen Mediennutzungzum Beispiel mit gewalthaltigen Szenen konfrontiert werden. Fiktive Gewalt wird insbesondere in Cartoon-Sendungen häufiglustig und auch für kleine Kinder erträglich dargestellt. Jedoch kannhierbei der Schein trügen, da teilweise auch in Angeboten für Erwachsene animierte, niedlicheFiguren agieren. Kinder ordnensolche Figuren den ihnen bekannten Medienwelten zu undkönnen dann von der dargestellten Brutalität, der rüden Wortwahl und auch von sexualisiertenHandlungen verunsichert, schockiertoder verängstigt werden.Wird Gewalt hingegen mit realen Menschen zumBeispiel in Krimis oder Actionfilmen dargestellt, sosind kleine Kinder in der Regel nicht dazu in derLage, diese Eindrücke als fiktiv wahrzunehmenund das Geschehen mit Abstand zu verfolgen. ImGegenteil: Kinder haben häufig das Gefühl, sie wären selbst Teil der medialen Handlung, und infolgedessen können bei ihnen extrem verstörendeGefühle ausgelöst werden. Dieser Effekt wird nochverstärkt, wenn sich die dargestellte Gewalt gegenKinder richtet.mitfühlend gegenüber kleineren, schwächerenTieren. Sie erschrecken sich daher leicht, wenn beispielsweise in einem Tierfilm gezeigt wird, wie einwehrloses Tier von einem Raubtier gerissen odervon einem Jäger erschossen wird. Weil sie sichselbst auch als klein und wehrlos wahrnehmen,entwickeln sie angesichts solcher Szenen sehr starke Gefühle. Das gilt auch für Spielfilme, in denenein Tier die Hauptfigur spielt. Abenteuer und Gefahren, die diesem Tier widerfahren, erleben Kinder sehr intensiv mit, weil sie sich auch hier mit derHauptfigur identifizieren.Reale Gewalt gegen Menschen wird häufigin Nachrichtensendungen dargestellt,zum Beispiel bei der Berichterstattung über Kriege, Hungersnöteoder Naturkatastrophen. Diezum Teil sehr drastischen Bilder in schneller Schnittfolge erscheinen für Kinder in der Regelkontextlos. Kinder können sienur schwer einordnen. Daherkönnen gewalthaltige Nachrichtenbilder auf sie traumatisierendwirken [10].Aber: Kinder empfinden – infolge vonFrustrationen unterschiedlicher Art – auch selbstWut und Aggressionen und leben diese aus. Mitdiesen Gefühlen umzugehen, ist nicht einfach undmuss gelernt werden. [11] Medienangebote mit Figuren, in denen sich das Kind auch mit solchen Gefühlen wiedererkennt, können dazu beitragen, dieeigenen Gefühle zu überdenken und Verhaltensstrategien im Umgang damit zu erkennen. Zudemkönnen tabuisierte, alltagsbezogene Aggressionenund Rachegefühle stellvertretend durch böswilligeFiguren ungestraft bewältigt werden. [12]Auch Gewalt gegen Tiere kann für Kinder sehr verstörend und verängstigend sein. Kinder sind oftHintergrundStiftung Medienpädagogik Bayern
13Was läuft denn da? Medien im Alltag entdecken und verstehenBesonders bei Geschichten und Szenen, die eigene Verlust- oderTrennungsängste berühren, reagieren Kinder sensibel.Spannung und GruselDie Bedeutung des Happy EndsBereits jüngeren Kindern macht es durchaus Spaß,in einer spannenden Abenteuergeschichte mit denhandelnden Figuren mitzufiebern und gebanntdem Verlauf der Geschichte zu folgen. Aufgrundihres emotionalen und kognitiven Entwicklungsstandes können Kinder sich dabei nicht immer vomGeschehen distanzieren. Bei spannenden Medieninhalten kann daher leicht die Grenze des für Kinder Erträglichen überschritten werden.Dem Happy End kommt im Zuge von spannendenund gewalthaltigen Medieninhalten eine große Bedeutung zu. Ein positiver Ausgang von Geschichten,in denen das Gute über das Böse siegt, die Schwachen als Helden hervorgehen oder sich der Spukauflöst, ist für kleine Kinder sehr wichtig für dieEntwicklung von Vertrauen und Sicherheit und fürdie emotionale Verarbeitung von Medieninhalten.Besonders bei Geschichten und Szenen, die eigeneVerlust- oder Trennungsängste berühren, reagierenKinder sensibel. So können Situationen wie zumBeispiel bei Bambi, dessen Elternteil stirbt, oderbei Heidi, die aus ihrer Bergwelt gerissen und zumhartherzigen Fräulein Rottenmeier nach Frankfurtgebracht wird, jüngere Kinder schnell ängstigenund überfordern.Praktische Tipps zur emotionalen Verarbeitung von Medienerlebnissen, vor allem in Hinblick auf über
ressanten Medien im Alltag. Für Kinder sind die verschiedenen Medien vielfach eine Erweiterung ihrer sonstigen Erfahrungsmög-lichkeiten [ ]. Allerdings führt dies neben positiven Effekten auch zu pädagogischen Herausforderungen für Eltern und pädagogische Fachkräfte.“ Prof. Dr. Norbert Neuß [2] Medien