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Heilige SchriftenBibel und Koran im Vergleich(Vorlesung mit Seminarcharakter bei der SommerUni in Hannover am 23. August 2013)Abstract:Die Veranstaltung behandelte zunächst die Entstehung der Bibel und des Koran sowie dieentsprechenden Auslegungsmethoden. Sie zeigte dann, wie sich der Islam in dieprophetisch-biblische Tradition einordnet. Zum Schluss wurden die Inhalte der Botschaftvon Bibel und Koran hinsichtlich markanter Unterschiede wie großer Übereinstimmungenbesprochen. Die folgenden Ausführungen bieten eine stichpunktartige Übersicht über diewichtigsten Gesichtspunkte, die vorgetragen wurden.Jack Miles hat in seinem Buch „Gott – eine Biographie“ die Geschichte der jüdisch-christlichenReligion dramaturgisch in drei Akten beschrieben: 1. Gott tritt auf, man weiß nicht, woher erkommt, man erlebt ihn als Handelnden: Schöpfer; 2. Gott spricht (Offenbarung) und 3. Gottschweigt.1 Margot Käßmann sagte über diesen letzten Akt auf dem Kirchentag in Hamburg am2. Mai 2013: „Gott weiß alles über mich, aber er petzt nicht.“Im Folgenden soll es um die zweite Phase gehen: um die Offenbarung. Diese Phase hat einenBeginn in der Zeit (Adam?, Noah?, Abraham?, Moses) und sie hat ein Ende. Beim Ende liegendie wesentlichen Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam. Für das Judentumliegt das Ende irgendwo im 2. Jh v.u.Z., für das Christentum ist das Ende mit Jesus Christus –genau: mit dem Tode des letzten Apostels gegeben, für den Islam ist die Offenbarung desKoran das Ende und Mohammed das Siegel der Propheten (danach keine weiterenOffenbarungen mehr, daher z.B. Ablehnung der Bahai-Religion). Deshalb soll nun zuerst etwaszur Kanonbildung von Bibel und Koran gesagt, dann das Verhältnis der drei Religionenzueinander aus Sicht des Islam darstellt und schließlich der Inhalt – hinsichtlich derUnterschiede und Gemeinsamkeiten – vorgestellt werden.1. Die KanonbildungDie Hebräische Bibel (christlich: das Alten Testament): TaNaCH (ein Kunstwort, gebildetaus T[ora] N[ebiim Propheten] CH/K[etubim Schriften]. Unterschiedlicher Umfang:TaNaCH und Septuaginta ( griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel durch Juden inhellenistischer Zeit)1Vgl. dazu „Nachdem in der hebräischen Bibel die Handlung der Rede weicht, weicht jedoch die Rede ihrerseits dem Schweigen.“(Jack Miles: Gott – eine Biographie, dt. Übersetzung München [u.a.]: Hanser 1996 S. 22) “Diese weit ausgreifende Bewegung vomHandeln zum Reden und dann zum Schweigen führt zu einer Darstellung, die man im Unterschied zu Theologie wie zu Biographieals Theographie bezeichnen könnte.“ (Miles, a.a.O. S. 23) “Das Leben Gottes des Herrn im Tanach beginnt in Aktivität und Reden,und es endet in Passivität und Schweigen. Soviel ist mittlerweile gewiß offensichtlich. Nicht offensichtlich ist, warum das so ist.“(Miles, a.a.O. S. 462)

Das Neue Testament (Kanonbildung2 die Zusammenstellung der Schriften, die in die Bibelaufgenommen werden, und Apokryphe Schriften, die formal wie biblische Schriftenaussehen, aber nicht unter die Schriften der Bibel aufgenommen wurden wie z.B. bezüglich derHebräischen Bibel die Baruch-Apokalypse oder hinsichtlich des Neuen Testamentes dasPetrus-Evangelium, das Nikodemus-Evangelium oder die Petrus-Offenbarung [Apokalypse])Der Koran (einschließlich der Varianten in der Lesart3). Die Sprachqualität des göttlichschönen Koranarabisch gilt als Offenbarungsbeweis (Koran 2,23; 17,88). Der Koran ist für dieMuslime direktes Wort Gottes und damit etwas anderes als die Offenbarung der Bibel.4Auslegungsmethoden:Mit vierfachem Schriftsinn (lat. quatuor sensus scripturae) wird der vorherrschende Ansatz derchristlichen Bibel-Interpretation von der Alten Kirche bis ins späte Mittelalter bezeichnet.Bibeltexte lassen sich demnach nicht nur 1. buchstäblich als konkrete historische Aussagenverstehen, sondern können auch 2. als allegorische Aussagen über die Glaubenswirklichkeit, 3.moralisch als Handlungsanweisung für den Glaubenden oder 4. anagogisch als Ausdruck derHoffnung gelesen werden.Ein Problem für das richtige Verständnis der Texte ist, dass wir nicht mehr in der vollenKenntnis der biblischen Anspielungen leben5, den ursprünglichen Deutungsgehalt bestimmter2Vgl. dazu um/kanon.pdf. Die Tora ist nachexilisch (d.h. nach 538 v.u.Z.), abersie beinhaltet ältere Traditionen (Jahwist, Elohist und Priesterschrift vornehmhch mit gottesdienstlichen Anweisungen). AlsPentateuch (5 Bücher) setzt sie sich gegen den Tetrateuch (4 Bücher), Hexateuch (6 Bücher) und Enneateuch (9 Bücher) durch. DiePropheten stammen als Corpus aus der 2. Hälfte des 3. Jh v.u.Z., und die Ketubim sind Sammlungen aus dem 2. Jh v.u.Z., die erst im1. Jh u.Z. einigermaßen feststehen. Aus dieser Zeit (1. Jh u.Z.) stammt der unvokalisierte hebräische Text, der vokalisierte ist ausdem 10. Jh u.Z.3Vgl. Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam, Berlin: Verlag der Weltreligionen im InselVerlag 2011 S. 56: „Religiöse Texte nämlich, um die es uns hier zunächst gehen soll, stehen literarischen Texten weit näher alsSachtexten. Literarische Texte weisen aber eine ungleich höhere Ambiguitätsdichte auf als etwa Gebrauchsanweisungen. Vor allemaber ist ihre Ambiguität gewollt, ist doch Polyvalenz geradezu ein Definitionsmerkmal, das literarische Texte von Sachtextenunterscheidet. Die Frage, ob auch Mehrdeutigkeit religiöser Texte bewußt erstrebt und gewollt ist, sei dahingestellt (für den Koran istsie, nach Meinung der meisten klassischen Gelehrten, definitiv zu bejahen).“4Zum Vergleich zwischen Bibel und Koran schreibt Navid Kermani: Der Schrecken Gottes. Attar, Hiob und die metaphysischeRevolte, München: C.H. Beck 2005 S. 166: „Wie immer man sich die Entstehungsgeschichte des Korans vorzustellen hat, so ist erdoch selbst für westliche Kritiker der tradierten Überlieferungsgeschichte im Vergleich zur Bibel in einem recht eng umrissenenzeitlichen und geographischen Raum entstanden und keine Sammlung kollektiver religiöser Erfahrungen, die durch vieleJahrhunderte angereichert, mündlich von Generation zu Generation weitergetragen, aber eben auch variiert, durch viele Phasenhindurch redaktionell bearbeitet worden sind. Vor allem ist der Koran weder Rede von Gott noch zu Gott. Er ist dem eigenenAnspruch nach direkte Rede Gottes. Beklagen können sich die Menschen im Koran schon deshalb nicht über Gott, weil es demTextkonzept nach Gott selbst ist, der im Koran in erster Person spricht (in der Bibel spricht er, strenggenommen, nur im Zitat), undzwar spricht Gott zu einer einzigen Person in einem teilweise bis auf den Tag benannten Moment der Geschichte. Von denMenschen der koranischen Gegenwart oder der biblischen Vergangenheit zitiert dieser Gott, was Er will, und so ist es nicht weitererstaunlich, wenn sich Sein Selbstbild vom Gottesbild Hiobs unterscheidet, der in ärgster, unbegreifbarer Bedrängnis nicht mehr ansich halten kann. Gott präsentiert sich in einem Licht, das für seine unmittelbaren Adressaten, in jenem historischen Moment(tausendvierhundert Jahre später können die gleichen Handlungen und Worte durchaus fragwürdig wirken) besonders günstig,eindringlich und im Sinne der Botschaft effektiv zu sein scheint, also in all seiner Barmherzigkeit, seiner Gerechtigkeit, durchaus auchseiner Erhabenheit, Allmacht, Bedrohlichkeit, mit Härte gegenüber Feinden, aber eben kaum in offener Willkür, blinder Gewalt undabweichender Rätselhaftigkeit. Den Zweifel nimmt Gott den Menschen nicht ab. Gott straft zwar, Er wütet und durchfährt denMenschen mit Furcht und Entsetzen, doch hat die Strafe einen Grund, das Wüten einen konkreten Anlaß. Der Schrecken Gottesdient im Koran der Läuterung.“5Als Beleg für die fehlende Konnotation der Texte sei verwiesen auf D. Paul Fleisch: Erlebte Kirchengeschichte. Erfahrungen in undmit der hannoverschen Landeskirche, Hannover: Heinrich Feesche Verlag 1952 S. 8f berichtet von seinem theologischen Examen imJahre 1900 in Hamburg: „Ein wenig erschreckte uns Behrmann, der mich und Bertheau im A.T. den Galaterbrief aufschlagen und

Wörter6 nicht mehr präsent haben und schon gar nicht die Zahlensymbolik realisieren. ZurZahlensymbolik genügt der Hinweis auf die Anzahl der ntl. Schriften (27 3 mal 3 mal 3) undauf die Zahl der Briefe (21 3 mal 7) im NT.Historisch-kritische MethodeAngelika Neuwirth: Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, Berlin:Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag 2010 beruft sich S. 69 auf einen Paradigmenwechselin der christlichen Theologie7 und schlägt ihrerseits mit Blick auf den Koran eine neue Lesartvor, nämlich den Text des Koran als Quelle für spätantike Diskussionen zu lesen. Auf dieseWeise erfahren wir viel über die internen Debatten zwischen Muslimen, Christen und Judensowie vielleicht auch – im Sinne von Prof. Dr. Ömer Özsoy (Frankfurt/M) – über dieOffenbarungsanlässe. Folgende Beispiele können dies verdeutlichen:Der Islam kritisiert, dass die Juden durch den Bezug auf die mündliche Tora, den Rabbinerneine Auslegungsmacht zugestanden haben, die mit der Tora des Moses nicht mehr ganzübereinstimmt, wobei Uzayr ( Ezra?) eine entscheidende Rolle bei der Aufzeichnung dermündlichen Tora zukommen und sogar von den Juden als Sohn Gottes angesehen worden seinsoll. Den Christen wirft der Koran vor, dass sie den Propheten Jesus vergöttlicht haben unddamit von der eigentlichen Offenbarung (vgl. Sure 112) abgewichen sind.Im Koran werden die Angehörigen des Christentums als „Nasara“ bezeichnet oder auch „Leutedes Evangeliums“, „Leute des Kreuzes“, „Leute des Buches“ genannt. Der Koran erwähnt dieGläubigen und die Schriftbesitzer, Christen und Juden, nebeneinander. Für sie gilt folgendeVerheißung: „Siehe, diejenigen, die glauben, die sich zum Judentum bekennen, die Christenund die Sabier – wer an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und rechtschaffen handelt, diehaben ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie brauchen keine Furcht zu haben und sollen auch nichttraurig sein!“ (2/62; vgl. 5/69) Der Koran erwähnt Jesus und seine Mutter Maria voller Liebeund Hochachtung (3/42-51). Doch werden die Christen kritisiert, weil sie Jesus, einenMenschen und Propheten, zum Gott erklärt, das Evangelium verfälscht (2/75, 79, 85; 3/78),die ihnen gesandte Offenbarung abgeändert (4/171) und einen Teil dessen, was im Evangeliumstand, verborgen und vergessen (5/14-15) hätten.Liest man die auf das Christentum bezogenen Koranverse genau, so fällt auf, dass Jesus, imGegensatz zur christlichen Auffassung als Knecht Gottes und Sein Prophet bezeichnet wird.Er selbst betonte nach dem Koran: „Ich kam zu euch, um zu bestätigen, was vor mir war vonder Tora, und um euch manches von dem zu erlauben, was euch verboten war. [.] Siehe, Gottist mein Herr und euer Herr! So dienet ihm! Das ist ein gerader Weg“ (3/50-51). Die Christenhaben ihn nach seinem Tod trotz seiner klaren gegenteiligen Verkündigung, wie der KoranKap. 2 aus dem Griechischen ins Hebräische übersetzen hieß. Ich gestehe, daß es mir dabei etwas heiß wurde. Aber es gingeinigermaßen.“6Ein Beispiel hierfür kann die Bedeutung der einzelnen Körperteile sein, vgl. dazu Silvia Schroer u. Thomas Staubli: DieKörpersymbolik der Bibel, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 2., überarbeitete Auflage 20057Angelika Neuwirth zitiert an dieser Stelle den Beginn des Vorwortes von Marius Reiser: Bibelkritik und Auslegung der HeiligenSchrift. Beiträge zur Geschichte der biblischen Auslegung und Hermeneutik, Tübingen: Mohr Siebeck 2011 S. V: „Um die Mitte des18. Jahrhunderts kam es in der Geschichte der biblischen Exegese zu einem Traditionsabbruch, der einschneidender war als allefrüheren Zäsuren. Daraus ging die sogenannte historisch-kritische Methode hervor.“ Es ist bezeichnend, dass Joseph RatzingerBenedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog. Die Kindheitsgeschichte, Freiburg-Basel-Wien: Herder 2012 sich an vielen Stellen indiesem Buch – wie die Liste der Eigennamen ausweist - auf Reiser bezieht, um letztlich die Kindheitsgeschichte im Sinne desvierfachen Schriftsinnes auszulegen.

sagt, zur Gottheit erhoben und somit Gott beigesellt. Dieser Gottesvorstellung haben sie späterden Heiligen Geist hinzugefügt und den Trinitätsglauben entwickelt. Im Koran werden dieChristen aufgrund dieser dreieinigen Gottesvorstellung kritisiert und diejenigen, die sich zudieser Glaubensform bekennen, als Leugner bzw. Ungläubige (kafir, Pl. kuffar) bezeichnet(5/17, 72-73).Im Koran wird auch das Mönchtum kritisiert, weil es nicht zum Wesen des Christentumsgehört, sondern später eingeführt wurde, um das Wohlgefallen Gottes zu erlangen. Darüberhinaus ist es auch nicht „in der rechten Weise“ bewahrt worden (57/27). Das Mönchtum waranfangs durch den Verzicht auf menschliche Wünsche und die Abkehr von der Welt geprägt.Einige Mönche und Geistliche jedoch nutzten das dahingehend aus, dass die christlicheGemeinschaft sie zu Heiligen erklärte, die über das Menschliche erhaben seien (9/31). Mandarf nicht übersehen, dass sich die Kritik des Korans auf die spätantike Vorstellung desChristentums vom Mönchtum und auf einige christliche Geistliche bezog, sie darf daher nichtverallgemeinert werden.Der Koran zielt mit seiner Kritik nicht allgemein auf alle Christen. Er spricht u. a. vonchristlichen Priestern und Mönchen, die nicht hochmütig waren und mit MuslimenFreundschaft pflegten (5/82). Den Christen insgesamt begegnet der Koran positiv und merktan, dass unter den Schriftbesitzern die Christen hinsichtlich der Liebe den Muslimen amnächsten stehen.Die Lektüre des Koran als Text der Spätantike hat somit eine andere Gewichtung als die imIslam übliche, die den Koran retrospektiv in die Prophetengeschichte einordnet.2. Der Baum der ProphetenDie Folie zum Baum der Propheten (vgl. Anhang) zeigt die klassische Sicht des Islam, derzufolge die Offenbarung Gottes mit Adam beginnt und dann über Noah bis Abraham geht.Hier kommt es zur Trennung in zwei Stränge: die Kinder Isaaks haben weitere Propheten,darunter Moses und Jesus, aus den Kindern Ismaels geht Muhammad hervor. Auf diese Weisewerden alle Religionen zugeordnet (Heiden, Schriftbesitzer, Muslime bzw. für die spätere ZeitReligionen, die nach dem Islam entstanden sind [z.B. die Bahai-Religion], Atheisten). In dieserSicht der Geschichte der göttlichen Offenbarung liegt auch der Grund, weshalb vieleErzählungen, Inhalte und Lehren bei Christen (teilweise auch Juden) und Muslimen gleich sindund weshalb es zu Abweichungen bei der Überlieferung der Offenbarung - bis hinein in dieschriftlichen Fassungen davon (Schriftverfälschungsthese) – gekommen ist. So lassen sich vomKoran ausgehend Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimeneruieren.3. Inhalte der Offenbarung3.1.UnterschiedeDeutlich werden die Unterschiede zwischen der christlichen Christologie und der islamischenAussage über Jesus dadurch, dass Jesus für die Muslime zwar von einer Jungfrau geboren wurdeund Wunder gewirkt hat, aber nicht Gottes Sohn ist, auch ist er nicht in Bethlehem auf dieWelt gekommen, nicht gekreuzigt worden und folglich auch nicht auferstanden.

Unterschiede gibt es auch in der Anthropologie: Nach dem Koran lebten – wie auch nach der Bibel- die ersten Menschen (Adam und Eva) zunächst im Paradies, sündigten aber und wurden vonGott des Paradieses verwiesen (vgl. 1 Mos 3 und Koran 17/18-26). Juden und Muslime sehendarin eine persönliche Sünde des ersten Ehepaares, aber keine grundlegende Veränderung desMenschseins. Im Gegensatz dazu lesen die Christen den Text aus dem 1. Buch Mose (Genesis)durch die Brille der Deutung des neutestamentlichen Römerbriefes des Paulus, wonach dieSünde des Adam bewirkte, dass der Mensch gebrochen, d.h. nicht mehr heil ist (Erbsünde,Erbschuld) und folglich zu seiner Rettung einer Heilung von außen (durch Gott) bedarf. DieseHeilung ist nach dem Römerbrief (5/12-21) durch den Heiland Jesus Christus erfolgt.3.2.GemeinsamkeitenBekenntnis zum einen und einzigen Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde, dem Richterder Menschen am Ende der Zeiten.„O ihr, die ihr glaubt! Glaubt an Gott (Allah) und Seinen Gesandten und an das Buch, das Erauf Seinen Gesandten herabgesandt hat, und die Schrift, die Er zuvor herabkommen ließ. Wernicht an Gott (Allah) und Seine Engel und Seine Bücher und Seine Gesandten und an denJüngsten Tag glaubt, der ist weit abgeirrt.“ (Koran 4/136)Eine wichtige Gemeinsamkeit ist die Botschaft von Gottes Barmherzigkeit, die es sowohl imJudentum und im Christentum als auch im Islam gibt.8FazitDer Koran wirft den Juden vor, die eigentliche Botschaft vom barmherzigen Gott vergessenund stattdessen eine Auslegungsautorität von Rabbinern für kleinliche Beobachtungen vonVerhaltensregeln im Alltag eingeführt zu haben. Er wirft den Christen vor, durch dieVergöttlichung Jesu vom eigentlichen Kern der Botschaft abgelenkt zu haben. Mit demfranzösischen katholischen Theologen Alfred Loisy (1857-1940) könnte man sagen: „Jesusverkündete das Reich Gottes, und gekommen ist die Kirche.“All dies sollte nach islamischer Auffassung durch den Koran korrigiert werden, und was istdaraus geworden?Khorchide schreibt:„Wir sehen uns also zwei Definitionen des Glaubens gegenüber: einer statischen und einerdynamischen. Beim ersten Verständnis geht es hauptsächlich um die Frage nach den richtigen8Zum Islam vgl. „A Common Word between Us and You“ (vgl. http://www.acommonword.com/). Dies ist ein Brief, den 138muslimische Gelehrte aus der ganzen Welt am 13. Oktober 2007 an Papst Benedikt XVI. und andere christliche Führer senden, umsie zum interreligiösen Dialog aufzufordern und in dem sie das „Doppelgebot der Liebe“ als die große Gemeinsamkeit zwischen Juden,Christen und Muslimen – aus Bibel und Koran als Beweis dafür zitierend - bezeichnen. Dieselbe Betonung der Liebe Gottes nenntfür den Islam Mouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion, Freiburg: Herder 2012. NachKhorchide „sagt der Koran unmissverständlich, worum es eigentlich geht; Gott sucht Mitliebende, und er macht den ersten Schritt.Gott wollte seine Liebe und Barmherzigkeit nicht für sich behalten, sondern teilen. Er ist seit Ewigkeit eine Beziehung mit demMenschen eingegangen, schon vor dessen Schöpfung, dies zeugt von seiner ewigen Liebe und Barmherzigkeit zum Menschen. DieSchöpfung des Menschen macht die Verwirklichung dieser Liebe möglich.“ (S. 72)

Glaubenssätzen, an die ein Mensch glauben soll. Dadurch rückt allerdings die Handlungsebenein den Hintergrund. Nach dem zweiten Verständnis ist das Handeln Ausdruck des Glaubensund daher ein fixer Glaubens-Bestandteil. Während also das erste Verständnis den Glaubenaushöhlt und aus ihm lediglich lebensferne, abstrakte Sätze macht, betont das andere dieDynamik des Glaubens als Prozess der Vervollkommnung des Menschen, in den sich derMensch einbringen soll und durch den der Glaube zu einer gelebten Wirklichkeit wird.Dass die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Freiheit, der sozialenVerantwortlichkeit und der Unantastbarkeit menschlicher Würde im Islam ausgehöhltwurden, dass die Prädestinationsvorstellung an Boden gewann, beruht auf einer politischmotivierten Entwicklung seit der Zeit des Kalifen Mu'āwiya bis heute. Es ist nicht im Sinnediktatorischer Regime, wenn diese Prinzipien Teil des religiösen Gewissens werden. Es ist nichtim Sinne solcher Regime, wenn der Mensch frei ist, wenn er sein Leben und sein Schicksal indie eigene Hand nimmt und seine Stimme gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeitenerhebt. Seit Mu'āwiya und bis heute leidet der Islam unter dieser Aushöhlung, die nur dieFassade dessen übrigließ, was der Prophet verkündet hat. Muslimische Gelehrte diskutierenendlos über oberflächliche und zum Teil peinliche Belange, vergessen aber grundsätzlichePrinzipien des Islam. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass bis auf ein paar Äußerlichkeitenvon dem Islam Muhammads heute kaum etwas geblieben ist. Muhammad leistete einen großenBeitrag, um eine archaisch-patriarchalische Gesellschaft zu befreien. Für ihn standen Prinzipiender Gerechtigkeit und Freiheit an oberster Stelle. Er begann seine Verkündigung mit diesenund weiteren Prinzipien. Religiöse Rituale, wie das Gebet und das Fasten, wurden erst vielspäter verkündet. Heute erleben wir eine Umkehrung der Prioritäten. Die Äußerlichkeitenstehen heute an oberster Stelle, die eigentliche Botschaft ist vergessen.“9Im Sinne von Jack Miles ist die Offenbarungszeit endgültig abgeschlossen, ihre Wirkungsgeschichteaber nicht gut gelungen, und dennoch gilt: Jetzt schweigt Gott!Zusätzliche Literaturhinweise:Andreas Goetze: Religion fällt nicht vom Himmel. Die ersten Jahrhunderte des Islams,Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 2., durchgesehene Aufl. 2012 (insbesondere dieZusammenfassung der einzelnen Kapitel S. 381-392)Karl-Friedrich Pohlmann: Die Entstehung des Korans. Neue Erkenntnisse aus Sicht derhistorisch-kritischen Bibelwissenschaft, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 2. Aufl. 2013Bertram Schmitz: Paulus und der Koran, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010AnhangDer Baum der ProphetenDie im Baum verwendeten Prophetennamen, von unten nach oben anhand der von denArabern benutzten Zahlen zu lesen9Khorchide, a.a.O. S. 211f

Bibel und Koran im Vergleich (Vorlesung mit Seminarcharakter bei der SommerUni in Hannover am 23. August 2013) Abstract: Die Veranstaltung behandelte zunächst die Entstehung der Bibel und des Koran sowie die entsprechenden Auslegungsmethoden. Sie zeigte dann, wie sich de