
Transcription
Humboldt-Universität zu BerlinMathematisch-Naturwissenschaftliche FakultätInstitut für MathematikZur Druckrobustheit und Adaptivitäteiner Virtuellen-Elemente-Methodefür das Stokes-ProblemMasterarbeitzur Erlangung des akademischen GradesMaster of Science (M. Sc.)vonHerrn Derk Frerichsgeboren am 02.08.1992 in KielGutachter:1. Prof. Dr. Carsten Carstensen2. Dr. Christian MerdonEingereicht am Institut für Mathematik derHumboldt-Universität zu Berlin am:20. August 2019
AbstractThis work tackles a virtual element method for an approximation of the two-dimensionalStokes problem.In a first step, the virtual element method from da Veiga et al. is motivated and ana-priori erroranalysis is examined [dLV17].Coming from that, a computable residual-based error estimator is constructed and itsreliability is shown. In contrast to finite element methods, the main difficulty is to buildthe error estimator in such a way that it consists only of variables that can be computedfrom the virtual element solution. Local contributions of this error estimator are usedas refinement indicators in an adaptive mesh refinement algorithm.The focus of this work lies in the construction of a pressure-robust right-hand sidediscretization. Pressure-robustness means that changes in the continuous right-handside, which influence only the pressure, also on the discrete level leave the velocityunchanged. Even though the original virtual element method is exactly divergence-free,it is not pressure-robust. It uses an L2 -projection to approximate the right-hand sidewhich does not preserve the divergence in general. This leads to a velocity error scalingwith the inverse of the viscosity constant ν and resulting in large errors in the caseof small ν. To recover a divergence-free approximation an interpolation into RaviartThomas spaces of order k 1 is used. This interpolation is possible on both trianglesand slightly more involved on general polygons.Furthermore, a comparison between this virtual element method and a finite elementmethod of the same order and with the same number of degrees of freedom is drawn. Itpoints out similarities, differences and difficulties of virtual element methods.Another focus lies on the implementation of the method that is theoretically discussedfor an arbitrary order and practically implemented for the lowest order case k 2. Thecomputations presented in this work and the provided softwarepackage give bricks foran implementation of the virtual element method of higher order and of more cunningmethods.Numerical experiments at the end of the chapters confirm the theoretical statements.Keywords:numerical mathematics, virtual element method, pressure-robustness, adaptivity
ZusammenfassungDiese Arbeit befasst sich mit einer Virtuellen-Elemente-Methode zur Approximation deszweidimensionalen Stokes-Problems.Im ersten Schritt wird die Virtuelle-Elemente-Methode von da Veiga et al. motiviertund einer a-priori Fehleranalyse unterzogen [dLV17].Ausgehend davon wird ein berechenbarer residuumbasierter Fehlerschätzer konstruiertund dessen Verlässlichkeit bewiesen. Im Unterschied zu den Finiten-Elemente-Methodenist die Hauptschwierigkeit dabei, den Fehlerschätzer ausschließlich aus Größen bestehenzu lassen, die mit der Virtuellen-Elemente-Lösung berechenbar sind. Die lokalen Beiträge dieses Fehlerschätzers werden als Verfeinerungsindikatoren in einem adaptivenGitterverfeinerungsalgorithmus genutzt.Der Fokus der Arbeit liegt in der Konstruktion einer druckrobusten Diskretisierung derrechten Seite. Druckrobust meint, dass Änderungen der kontinuierlichen rechten Seite,die im Kontinuierlichen nur den Druck beeinflussen, auch im Diskreten die Geschwindigkeit unverändert lassen. Die ursprüngliche Virtuelle-Elemente-Methode ist zwar exaktdivergenzfrei dennoch aber nicht druckrobust. Sie verwendet zur Approximation derrechten Seite eine L2 -Projektion, die im Allgemeinen die Divergenzfreiheit nicht erhält.Dies führt zu einem Geschwindigkeitsfehler, der mit dem Inversen der Viskosität ν skaliert, woraus große Fehler für kleine ν resultieren. Zur Wiederherstellung der Divergenzfreiheit wird eine Interpolation in Raviart-Thomas-Räume der Ordnung k 1 genutzt.Die Interpolation ist sowohl auf Dreiecken als auch etwas komplizierter auf allgemeinenPolygonen möglich.Außerdem wird ein Vergleich zwischen einer Finiten-Elemente-Methode von gleicherOrdnung und mit der gleichen Anzahl an Freiheitsgraden und der Virtuellen-ElementeMethode gezogen. Er zeigt Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Schwierigkeiten bei denVirtuellen-Elemente-Methoden auf.Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Implementierung der Methode, dietheoretisch für beliebige Ordnungen diskutiert und praktisch für die kleinste Ordnungk 2 durchgeführt wird. Die hier vorgeführten Berechnungen und das Softwarepaketbieten damit Bausteine zur Implementierung der Virtuellen-Elemente-Methode höhererOrdnung oder zur Implementierung komplizierterer Methoden.Numerische Experimente am Ende der Kapitel bestätigen die theoretischen Aussagen.Schlagwörter:Numerische Mathematik, Virtuelle-Elemente-Methode, Druckrobustheit, Adaptivität
erzeichnisxi1. Einleitung12. Theoretische Grundlagen2.1. Funktionalanalytische Grundlagen . . . . . . . . . . . .2.1.1. Schwache Ableitungen und Sobolevräume . . . .2.1.2. Partielle Integration und wichtige Abschätzungen2.2. Kontinuierliches Stokes-Problem . . . . . . . . . . . . .2.2.1. Beschreibung des Stokes-Problems . . . . . . . .2.2.2. Wohldefiniertheit des kontinuierlichen Problems .3. Die Virtuelle-Elemente-Methode für das Stokes-Problem3.1. Voraussetzungen zur Formulierung der Virtuellen-Elemente-Methode . .3.1.1. Formregularität des Gebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.1.2. Benötigte Polynomräume und eine Zerlegung . . . . . . . . . . .3.2. Virtuelle-Elemente-Räume und das diskrete Problem . . . . . . . . . . .3.2.1. Formulierung des diskreten Problems in den Virtuellen-ElementeRäumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3.2.2. Wohldefiniertheit des diskreten Problems . . . . . . . . . . . . .3.2.3. A-priori Konvergenztheorie für die Virtuelle-Elemente-Methode .77710111112.1515151619. 19. 29. 344. Implementierung der Virtuellen-Elemente-Methode4.1. Benötigte Datenstrukturen für die Implementierung . . . . . . . . . . . .4.2. Implementierung der Bilinearformen und Projektoren . . . . . . . . . . . .4.2.1. Implizite Basen und Berechnug der Bilinearformen . . . . . . . . .4.2.2. Berechnung der lokalen Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.2.3. Aufstellen der globalen Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.3. Numerische Experimente mit der Virtuellen-Elemente-Methode . . . . . .4.3.1. Problem 1: Hagen-Poiseuille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.3.2. Problem 2: Hydrostatisches Problem für verschiedene Viskositäten4.3.3. Problem L: Das L-Gebiet zerlegt in Quadrate . . . . . . . . . . . .414143434447484950525. A-Posteriori Fehleranalyse555.1. A-Posteriori Fehlerschätzer und adaptive Verfeinerungen . . . . . . . . . . 555.1.1. Verfeinerungsalgorithmus für Polygone . . . . . . . . . . . . . . . . 56vii
5.1.2. Der Fehlerschätzer und seine Analyse . . . . . . . .5.2. Numerische Experimente zur adaptiven Verfeinerung . . . .5.2.1. Problem L: Erneut das L-Gebiet zerlegt in Quadrate5.2.2. Problem L: Das L-Gebiet zerlegt in Dreiecke . . . .5.2.3. Problem BFS: Die rückwärtsgewandte Stufe . . . . .56626264656. Eine druckrobuste Form der Virtuellen-Elemente-Methode6.1. Verbesserte Virtuelle-Elemente-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6.1.1. Einführung der erweiterten Virtuellen-Elemente-Räume . . . . . .6.1.2. Implementierung der erweiterten Virtuellen-Elemente-Räume . . .6.2. Herstellung der Druckrobustheit mittels eines Rekonstruktionsoperators .6.2.1. Druckrobuste Rekonstruktion für die Virtuelle-Elemente-Methode6.2.2. Implementierung der druckrobusten Virtuellen-Elemente-Methode6.3. Numerische Experimente zur Druckrobustheit . . . . . . . . . . . . . . . .6.3.1. Problem 2: Hydrostatisches Problem mit kleiner Viskosität . . . .6.3.2. Problem 3: Ein Vortex-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .697070747475818383847. Vergleich von Finiter-Elemente- und Virtueller-Elemente-Methode7.1. Vor- und Nachteile Virtueller-Elemente-Methoden . . . . . . . .7.2. Vergleichende numerische Experimente . . . . . . . . . . . . . . .7.2.1. Problem 3: Das Vortex-Problem mit moderater Viskosität7.2.2. Problem 3: Das Vortex-Problem mit kleiner Viskosität . .8787898991.8. AusblickA. Dokumentation AVEMA.1. Einlesen der Daten durch loadGeometryVEM.m, getProblemdata.mA.2. Hilfsfunktionen am Beispiel computeS4eVEM.m . . . . . . . . . . . .A.3. Der Löser StokesVemSolver.m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .A.4. Darstellung der Lösung durch plotVelocitySolution.m . . . . . .A.5. Die Hauptprogramme avemStokes.m, vemVsP2b.m . . . . . . . . .Literaturverzeichnisviii95.9798100101108111115
Abbildungsverzeichnis3.1. Visualisierung der Freiheitsgrade für den diskreten Geschwindigkeitsraumfür k 2 und k 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.1.4.2.4.3.4.4.Exemplarische Zerlegung des Einheitsquadrats . . . . . . . . . . . . . .Zerlegung des Einheitsquadrats in Vierecke mit 995 Knoten für ProblemDiskrete Lösung für Problem 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Konvergenzhistorie der Geschwindigkeit für Problem 2 mit verschiedenenViskositäten ν . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4.5. Zerlegung des L-Gebiets in drei Quadrate mit acht Knoten . . . . . . . 421 49. 505.1. Illustration der Verfeinerungsstrategie für Polygone . . . . . . . . . . . .5.2. Vergleich von uniformer und adaptiver Konvergenzhistorie für Problem Lauf einer Zerlegung des L-Gebiets in Quadrate . . . . . . . . . . . . . .5.3. Verfeinerung eines Elements mit hängenden Knoten . . . . . . . . . . .5.4. Vergleich adaptiver und uniformer Konvergenzhistorie für Problem L aufeiner Zerlegung des L-Gebiets in Dreiecke . . . . . . . . . . . . . . . . .5.5. Ausgangstriangulierung und adaptiv erzeugte Triangulierung für das Gebiet für Problem BFS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5.6. Konvergenzhistorie für Problem BFS mit ν 1 . . . . . . . . . . . . . .5.7. Geschwindigkeitsfeld, Stromlinien und Moffatt-Wirbel für Problem BFS. 576.1. Ein konvexes Polygon und eine mögliche Subtriangulierung . . . . . . .6.2. Ausgangsgitter für Problem 2 zum Vergleich von herkömmlicher, erweiterter und druckrobuster Virtueller-Elemente-Methode . . . . . . . . . .6.3. Konvergenzhistorie für Problem 2 mit Viskosität ν 10 4 für verschiedene Virtuelle-Elemente-Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6.4. Konvergenzhistorie für Problem 3 mit Viskosität ν 10 4 für verschiedene Virtuelle-Elemente-Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52. 53. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 76. 84. 85. 867.1. Konvergenzhistorie für Problem 3 mit Viskosität ν 1 für verschiedeneVirtuelle-Elemente-Methoden und Finite-Elemente-Methode . . . . . . . . 907.2. Konvergenzhistorie für Problem 3 mit Viskosität ν 10 4 für verschiedene Virtuelle-Elemente-Methoden und Finite-Elemente-Methode ausgehend von einem Dreiecksgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917.3. Konvergenzhistorie für Problem 3 mit Viskosität ν 10 4 ausgehend voneinem strukturierten Dreiecksgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92ix
Tabellenverzeichnis3.1. Schreibweise für die skalierten Monome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.1. Fehler der Geschwindigkeit und des Drucks sowie zugehörige Konvergenzraten für Problem 2 mit Viskosität ν 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.2. Fehler der Geschwindigkeit und des Drucks sowie zugehörige Konvergenzraten für Problem L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53xi
1. EinleitungViele Probleme in der Physik und den Ingenieurswissenschaften werden in Form von Differentialgleichungen formuliert, deren Lösungen ein beobachtbares Verhalten beschreiben. So stellen beispielsweise die Maxwell-Gleichungen die grundlegende Beschreibungdes Elektromagnetismus dar, die Materialgesetze die Beschreibung der Verformungenvon Festkörpern und die Navier-Stokes-Gleichungen die der Strömungsmechanik.Die enorme Relevanz der Navier-Stokes-Gleichungen zeigt sich insbesondere auch darin, dass die Existenz eindeutiger Lösungen zu den sieben Milleniumsproblemen gehört.Die Navier-Stokes-Gleichungen beschreiben das Verhalten viskoser newtonscher Flüssigkeiten und Gase und sind daher unter anderem für den aerodynamischen Bau vonAutos, Flugzeugen oder Zügen von großer Bedeutung [GDN98]. In Fällen, bei denendie Trägheitskräfte gegenüber den Reibungskräften vernachlässigbar sind, reicht es bereits aus, eine Vereinfachung dieser Gleichungen, die sogenannten Stokes-Gleichungen,zu lösen [Bes06], mit denen sich auch diese Arbeit beschäftigt. Das Verständnis derStokes-Gleichungen ist daher eine wesentliche Voraussetzung für die Analyse der weitauskomplizierteren Navier-Stokes-Gleichungen.Doch selbst für diese Vereinfachung lassen sich nur in wenigen Fällen explizite Lösungen angeben, weswegen auf Näherungslösungen zurückgegriffen werden muss. Seitden 1950er Jahren erfreuen sich beispielsweise die mittlerweile gut bekannten FinitenElemente-Methoden (FEM) großer Beliebtheit, die vor allen Dingen in den Ingenieurswissenschaften ein grundlegendes Hilfsmittel sind [Clo04]. Dafür wird das betrachteteGebiet üblicherweise in Dreiecke, manchmal auch in Rechtecke (in 2D) oder in Tetraeder, manchmal Hexaeder (in 3D) zerlegt. Die Lösung wird dann in einem endlich dimensionalen Finiten-Elemente-Raum bestehend aus Polynomen eines gewissen Gradesberechnet [BS02].Es gibt allerdings auch einige Probleme, bei denen flexiblere Zerlegungen des Gebietsin Polygone beziehungsweise Polyeder von Vorteil sind. Dazu zählen zum Beispiel dieAnalyse von Rissausbreitungen in Materialien, Topologieoptimierungen, Fluid-Festkörperwechselwirkungen oder auch Zwei-Phasen-Flüsse, s. [Bre14] und die dortigen Referenzen. Polygone im Zweidimensionalen beziehungsweise Polyeder im Dreidimensionalenerlauben unter anderem einfachere Zerlegungen des Gebiets, eine effizientere Verfeinerung und sind robuster gegenüber Verdrehungen oder Verzerrungen des Gebiets. Neben anderen Methoden wie beispielsweise der hybriden dPG- oder Mimetischen-FiniteDifferenzen-Methode eignen sich vor allen Dingen die Virtuellen-Elemente-Methoden(VEM) für flexible Zerlegungen, s. [dBMR14c] und die dortigen Referenzen.Die erste Virtuelle-Elemente-Methode ist 2013 von da Veiga et al. als Entwicklung derMimetischen-Finite-Differenzen-Methoden entstanden und kann als eine Erweiterungenvon Finiten-Elemente-Methoden auf polygonale beziehungsweise polyhedrale Zerlegun-1
1. Einleitunggen und nicht-polynomielle Ansatzfunktionen gesehen werden [dBC 13]. Im Gegensatzzu den Finiten-Elemente-Methoden kann das Gebiet dabei in nahezu beliebige Polygone zerlegt werden. Die Lösungen werden zwar auch auf endlich dimensionalen Räumenerrechnet, die bei den Virtuellen-Elemente-Methoden allerdings aus Polynomen und weiteren (virtuellen) nicht-Polynomen bestehen. Das hat zur Folge, dass die Basisfunktionennicht mehr explizit sondern nur implizit zur Verfügung stehen, woher auch der Nameherrührt [dBC 13].Seit ihrer Entdeckung besteht großes Interesse an den Virtuellen-Elemente-Methoden.Diese werden auf die verschiedensten Probleme angewandt, darunter lineare Elastizitäts-Probleme, magnetostatische Probleme oder auch gemischte Probleme wie das obenangesprochene Stokes-Problem, s. [dLV17] und die dortigen Referenzen. Mit dem zuletztgenannten Problem beschäftigt sich diese Arbeit als Vorbereitung auf das umfangreichereNavier-Stokes-Problem.Das Stokes-Problem modelliert den Fluss viskoser newtonscher Fluide unter Einwirkung äußerer Kräfte f in einem Gebiet Ω und sucht dabei ein genügend glattes Paar(u, p), so dass ν u p f ,divu 0,u Ω 0,wobei ν für die Viskosität des Mediums steht [Bar16]. Die Lösung der Stokes-Gleichungen ist ein Paar aus Geschwindigkeit u und Druck p des Fluids in dem bestimmten Gebiet.Eine fundamentale Eigenschaft dieser Lösung ist, dass die Geschwindigkeit unabhängigvon beliebigen Gradientenfeldern q als Komponente in den äußeren Kräften ist; siebleibt unbeeinflusst [JLM 17]. Wegen der Divergenzfreiheit und den Nullranddaten folgtnämlich aus dem Gaußschen-Integralsatz, dassZΩu · q dΩ ZΩdivu q dΩ Z Ωu · n q ds 0,wobei n der äußere Normalenvektor ist. Mit anderen Worten steht die Geschwindigkeitalso insbesondere L2 -orthogonal auf Gradientenfelder.Zur Sicherstellung der Konvergenz numerischer Methoden zur Näherung des StokesProblems muss die sogenannte inf-sup-Stabilität erfüllt werden, die überprüft, ob diediskreten Räume zusammen genutzt werden können. Um dies zu erreichen, wird oftdie fundamentale Invarianz der Stokes-Gleichung verletzt, da die Divergenzfreiheit zumErfüllen der inf-sup-Bedingung nur diskret gefordert wird [JLM 17]. Diese nur diskretdivergenzfreien Funktionen stehen nicht mehr orthogonal auf beliebige Gradientenfelder, wodurch die diskrete Geschwindigkeit durch diese Gradientenfelder beeinflusst wird.Dieses Verhalten wird im Folgenden gemeint, wenn von fehlender Druckrobustheit gesprochen wird. Eine Methode wird druckrobust genannt, wenn Änderungen des Drucks,die im Kontinuierlichen die Geschwindigkeit nicht beeinflussen, auch im Diskreten keinenEinfluss auf die Geschwindigkeit haben. Fehlende Druckrobustheit macht insbesonderebei Fluiden mit kleinen Viskositäten ν Probleme, denn es lässt sich zeigen, dass der Geschwindigkeitsfehler nicht exakt divergenzfreier Methoden mit ν 1 skaliert [JLM 17].2
1. EinleitungUm für kleine Viskositäten dennoch zufriedenstellende Ergebnisse erzielen zu können,muss daher ein erheblicher Rechenaufwand betrieben werden.Eine Möglichkeit, den Einfluss des Drucks auf die Geschwindigkeit zu verringen, ist diesogenannte grad-div-Stabilisierung. Durch Einfügen eines parameterabhängigen Terms,der im Kontinuierlichen Null und im Diskreten verschieden von Null ist, wird zwar derEinfluss vermindert, verhindert ihn aber nicht vollständig [JLM 17]. Eine Möglichkeitzum vollständigen Herstellen der exakten Divergenzfreiheit auch im Diskreten und damit zur Herstellung der kompletten Druckrobustheit ist vor wenigen Jahren in [Lin14]vorgestellt worden. Während für Finite-Elemente-Methoden die fehlende Divergenzfreiheit mit Hilfe von Rekonstruktionsoperatoren repariert werden kann [JLM 17], gibt esnoch keine druckrobusten Virtuellen-Elemente-Methoden.Selbst die vielversprechende exakt divergenzfreie Virtuelle-Elemente-Methode von daVeiga, Lovadina und Vacca wird diesem Problem nicht Herr [dLV17]. Dadurch, dass dievirtuellen Basisfunktionen nicht explizit zur Verfügung stehen, muss zur Berechnungder rechten Seite eine Projektion benutzt werden. Dort wird die L2 -Projektion Pk 2 benutzt, die im Allgemeinen die Divergenzfreiheit nicht erhält, denn es gilt für die diskreteGeschwindigkeit uhZΩ q · Pk 2 uh dΩ 6 0.Daraus resultiert ein Fehler zwischen der kontinuierlichen Geschwindigkeit u und derdiskreten Geschwindigkeit uh , der sich unter Annahme genügender Regularität durchku uh kH 1 (Ω) . hkT u H k 1 (Ω) ν 1 hkT f H k 1 (Ω)beschränken lässt, wobei hT die lokale Gitterweite, 2 k N die Ordnung der Methode und k · kH 1 (Ω) beziehungsweise · H k 1 (Ω) die H 1 -Norm beziehungsweise die H k 1 Seminorm ist [dLV17]. Der zweite Term ist der Konsistenzfehler der rechten Seite, derauch vom exakten Druck abhängt. Die Virtuelle-Elemente-Methode ist also, auch wenndie Ansatzfunktionen exakt divergenzfrei sind, nicht druckrobust.In dieser Arbeit wird aufbauend auf der oben genannten Virtuellen-Elemente-Methode eine druckrobuste Variante von beliebiger Ordnung entwickelt, analysiert und anhand numerischer Beispiele verifiziert. Dafür wird zunächst eine erweiterte VirtuelleElemente-Methode vorgestellt, die zwar die Konvergenzordnung verbessert, allerdingsnicht vollständig druckrobust ist. Die fehlende Druckrobustheit wird daraufhin mit Hilfeeiner H(div)-konformen Interpolation IRT in Raviart-Thomas-Räume wieder hergestellt,welche die exakte Divergenzfreiheit der virtuellen Funktionen erhält. Für sie gilt dannnämlich für alle genügend glatten Gradienten q, dassZΩ q · IRT uh dΩ 0.Es wird sich herausstellen, dass sich der Fehler zwischen der kontinuierlichen Geschwindigkeit u und der diskreten Geschwindigkeit uh unter Annahme genügender Regularitätdurchku uh kH 1 (Ω) . hkT u H k 1 (Ω) hkT u H k 1 (Ω)3
1. Einleitungabschätzen lässt. Die Konvergenz der Methode ist damit unabhängig von der Viskositätund insbesondere auch von Gradientenfeldern in den zu balancierenden Kräften.Da die Basisfunktionen der Virtuellen-Elemente-Methoden nur implizit vorliegen, istdie Implementierung dieser Methode nicht trivial. Daher liegt ein weiterer Fokus dieserArbeit auf der Implementierung dieser Virtuellen-Elemente-Methode. Es werden diegrundlegenden Matrizen zur Berechnung der Virtuellen-Elemente-Lösung schrittweiseaufgebaut, mit denen die Methode implementiert wird. Die Implementierung beruht imWesentlichen auf Projektionen in Polynomräume, die nur mit Hilfe der Freiheitsgradeexplizit berechnet werden können. Mit Hilfe dieser Bausteine lässt sich der Aufbau dieserMethode aber auch anderer Virtueller-Elemente-Methoden einfach nachvollziehen.Lösungen, die Singularitäten enthalten, können im Allgemeinen nicht mit der optimalen Konvergenzordnung approximiert werden [BS02]. Deshalb beschäftigt sich einweiterer Teil der Arbeit mit der Konstruktion eines verlässlichen Fehlerschätzers, mitdem adaptive Verfeinerungen möglich sind. Eine große Schwierigkeit dabei ist, die Termedes Fehlerschätzers nur aus berechenbaren Anteilen bestehen zu lassen. Dafür werdendie Stabilisierungsbilinearform der Methode und erneut Projektionen in Polynomräumegenutzt. Der Fehlerschätzer in Zusammenarbeit mit einem vorgestellten Verfeinerungsalgorithmus lassen dann eine adaptive Approximation zu, die auch auf nicht-konvexenGebieten die optimale Ordnung wieder herstellt.Die oben genannten Hauptpunkte werden dabei sowohl ausführlich theoretisch analysiert als auch implementiert. Es wird ein Softwarepaket mit dem Namen AVEM, angelehnt an das Paket AFEM aus [CGK 10], zur Verfügung gestellt, mit dem alle indieser Arbeit genannten numerischen Beispiele nachvollziehbar sind. Das Paket ist eineRealisierung der Virtuellen-Elemente-Methode der niedrigsten Ordnung k 2 für dasStokes-Problem in MATLAB und bietet viele grundlegende Funktionen, die benötigtwerden, um auch andere Virtuelle-Elemente-Methoden zu implementieren. Aufbauendauf diesem Paket lassen sich mit einigen Erweiterungen auch kompliziertere Problemewie beispielsweise die Navier-Stokes-Gleichungen simulieren.Die Arbeit gliedert sich dabei wie folgt: Nachdem im zweiten Kapitel die funktionalanalytischen Grundlagen zur Behandlung des Stokes-Problems gelegt wurden, beschreibtdas dritte Kapitel den Aufbau der exakt divergenzfreien Virtuellen-Elemente-Methodevon da Veiga, Lovadina und Vacca aus [dLV17]. Das dabei entstehende diskrete Problemwird auf eindeutige Lösbarkeit untersucht und a-priori Fehlerabschätzungen aufgestelltsowie bewiesen.Darauf folgt Kapitel 4 über die Implementierung, in dem der Aufbau der grundlegenden Projektionen und Matrizen vorgestellt wird. Durch numerische Experimente amEnde des Abschnitts wird die Wirksamkeit der Methode aber auch die fehlende Druckrobustheit dokumentiert.Das Kapitel 5 widmet sich der Konstruktion und dem Beweis der Verlässlichkeit desberechenbaren Fehlerschätzers. Darüber hinaus wird auch der Verfeinerungsalgorithmusbesprochen, mit dem adaptive Verfeinerungen möglich sind. Numerische Experimenteam Ende des Kapitels belegen das Potential des Fehlerschätzers.Kapitel 6 befasst sich dann mit der Herstellung der Druckrobustheit. Dafür werden zuerst die erweiterten Virtuellen-Elemente-Räume vorgestellt und einige Bemerkungen zu4
1. Einleitungderen Implementierung gemacht. Anschließend behandelt das Kapitel der Rekonstruktion in Raviart-Thomas-Räume für Dreiecke und der Verallgemeinerung für Polygone, mitdessen Hilfe eine druckrobuste Methode geschaffen wird. Die numerischen Experimentebelegen die theoretischen Überlegungen bezüglich der Druckrobustheit.Das Kapitel 7 schlägt eine Brücke zu den Finiten-Elemente-Methoden und vergleichtdie implementierte Virtuelle-Elemente- mit einer Finiten-Elemente-Methode mit gleicherOrdnung und mit der gleichen Anzahl an Freiheitsgraden. Es werden Vor- und Nachteileabgewägt und anhand numerischer Beispiele verifiziert.Die Arbeit endet mit einem Ausblick noch offener Fragestellungen und zeigt Problemeauf, die es in Zukunft zu lösen gilt. Der Ausblick gibt darüber hinaus die Idee, wie diedruckrobuste Form auch auf das kompliziertere Navier-Stokes-Problem anzuwenden ist.5
2. Theoretische GrundlagenDiese Arbeit beginnt damit, einige theoretische Grundlagen zu geben, die benötigtwerden, um die Arbeit zu verstehen. Aus Platzgründen werden nur die für das Verständnis wichtigsten Resultate aus der Funktionalanalysis beziehungsweise der Theoriefür die Numerik partieller Differentialgleichungen ohne Beweise aufgelistet. Die Inhalte sowie die Beweise lassen sich in klassischen Büchern über Funktionalanalysis beziehungsweise Numerik von Differentialgleichungen nachschlagen. Dazu zählen zum Beispiel [Eva10, Bar16, BS02], aus denen die Inhalte dieses Kapitels entnommen wurden.Begonnen wird mit den funktionalanalytischen Grundlagen, die benötigt werden, umdie Lösung partieller Differentialgleichungen zu beschreiben. Abschließend wird dasStokes-Problem eingeführt und auf seine Lösbarkeit untersucht.2.1. Funktionalanalytische GrundlagenDie Lösungen vieler Differentialgleichungen sind nicht mehr zwingend genügend oft stetig differenzierbar und können beispielsweise Knicke enthalten. Deshalb werden hierzunächst die benötigten Räume, die Sobolovräume, eingeführt, in denen später die Lösung des Stokes-Problems liegt. Anschließend folgen noch Rechenregeln für partielleIntegration in diesen Räumen und einige wichtige Abschätzungen.2.1.1. Schwache Ableitungen und SobolevräumeUm nicht mehr nur stetig differenzierbare Lösungen zuzulassen, werden sogenannteschwache Ableitungen eingeführt. Die Definition der schwachen Ableitung benötigt unteranderem die Lebesgue-Räume.Definition 2.1 (Lebesgue-Raum). Sei Ω Rn , n N, und p (0, ). Dann ist derRaum der p-fach integrierbaren Funktionen durchLp (Ω) : nf : Ω R : f ist messbar und kf kLp (Ω) odefiniert, wobei die Lp -Norm für eine messbare Funktion f : Ω R durchkf kpLp (Ω) : ZΩ f p dΩgegeben ist.Bemerkung 2.2. (i) Es kann mit Hilfe des wesentlichen Supremums auch der RaumL definiert werden.7
2. Theoretische Grundlagen(ii) Sei f Lp (Ω). Dann ist f Lq (Ω) für alle p q.(iii) Um genau zu sein, bestehen die Lp -Räume aus Äquivalenzklassen. Zwei Funktionenf, g Lp (Ω) sind äquivalent, wenn sie sich nur auf einer Menge mit Lebesgue-MaßNull unterscheiden. Daher sind die eigentlichen Lp -Räume die Faktorisierung derobigen Definition nach den Äquivalenzklassen.Definition 2.3. Der Raum L1loc (Ω) besteht aus allen Funktionen, die in L1 (ω) sind füralle kompakten ω Ω.Nun können die schwachen Ableitungen definiert werden, deren Definition aus derFormel für partielle Integration motiviert ist.Definition 2.4 (Schwache Ableitung). Sei ein Multiindex α (α1 , α2 , . . . , αn ) Nngegeben und α : α1 α2 . . . , αn . Eine Funktion g L1loc (Ω) heißt α-te schwacheAbleitung von f L1loc (Ω), bezeichnet mit Dα f : g, wenn α α f α1 α2αn φ dΩ ( 1) x x. xnΩ12ZZΩgφ dΩfür alle φ CC (Ω),wobei CC der Raum der unendlich oft stetig differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger ist.Lemma 2.5 (Eigenschaften schwacher Ableitungen). (i) Für alle stetig differenzierbaren Funktionen stimmen klassiche und schwache Ableitung überein.(ii) Hat eine Funktion eine schwache Ableitung, dann ist sie eindeutig.Der Raum der Sobolevfunktionen besteht aus allen Lp -Funktionen, die schwache Ableitungen bis zu einem gewissen Grad haben.Definition 2.6 (Sobolevraum). Seien k N und p [1, ] gegeben. Der SobolevraumW k,p (Ω) ist durchW k,p (Ω) : nf Lp (Ω) : Für alle α Nn , α k, existiert die schwacheAbleitung Dα f und Dα f Lp (Ω)odefiniert. Für k 0 ist W 0,p (Ω) : Lp (Ω).Lemma 2.7 (Eigenschaften von W k,p (Ω)). Ausgestattet mit der Normkf kpW k,p (Ω) : X α kkDα f kpLp (Ω)für alle f W k,p (Ω)ist (W k,p (Ω), k · kW k,p (Ω) ) ein Banachraum, das heißt ein vollständig normierter Raum,für alle k N, p [1, ].8
2.1. Funktionalanalytische GrundlagenBemerkung 2.8. Die Seminorm · W k,p (Ω) ist für alle f W k,p (Ω) durch f pW k,p (Ω) : X α kkDα f kpLp (Ω)definiert.Definition 2.9 (Sobolevraum mit Nullranddaten). Der Sobolevraum mit Nullranddatenist durchW0k,p (Ω) : CC k·k k,pW(Ω)gegeben, das heißt der Abschluss aller Cc -Funktionen bezüglich der Sobolevnorm.Bemerkung 2.10. (i) Die Funktionen f W0k,p (Ω) sind also Grenzwerte von Folgenunendlich oft stetig differenzierbarer Funktionen, die auf dem Rand Ω identischzur Null sind. Dafür wird auch f Ω 0 geschrieben, obwohl im rigorosen Sinnedie Funktionen nicht zwingend auf dem Rand definiert sind und der sogenannteSpur-Operator benötigt wird (s. [Eva10] Abschnitt 5.5).(ii) Allgemein können mit Hilfe des Spur-Operators auch andere Randdaten zugelassenwerden, in dem für eine vorgegebene Funktion fD : Ω R1HD: nf H 1 (Ω) : f fD entlang Ωodefiniert wird.Von besonderem Interesse sind außerdem die Sobolevräume H k (Ω) : W k,2 (Ω) und: W0k,2 (Ω) für k N.H0k (Ω)Lemma 2.11. Die So
It uses an L2-projection to approximate the right-hand side . eder, manchmal Hexaeder (in 3D) zerlegt. Die Lösung wird dann in einem endlich di-mensionalen Finiten-Elemente-Raum