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Einsicht 06Bulletin desFritz Bauer InstitutsFritz Bauer InstitutGeschichte undWirkung des HolocaustVernichtungskrieg: 70. Jahrestag desdeutschen Überfalls auf die SowjetunionMit Beiträgen von Dieter Pohl,Felix Römer und Tanja Penter

EditorialWOCHENSCHAUVERLAGNationalsozialismus. ein Begriff für politische BildungDie Bände der Reihe FUNDUS – QUELLEN FÜR DEN GESCHICHTSUNTERRICHTenthalten Quellen unterschiedlichster Art. Schriftliche Quellen aller Gattungen werden ebenso berücksichtigt wie die lange vernachlässigten Bildquellen. Sie entstammen den Bereichen Alltag, Geschlecht, Kultur, Wirtschaft, Politik, Umwelt und Mentalität. Dem Prinzip der Multiperspektivität wird durchgängig Rechnung getragen, unddie Gliederung der Bände orientiert sich an den Lehrplänen.Thomas Lange, Gerd SteffensDer NationalsozialismusBand 1 (1933-1939): Staatsterror und VolksgemeinschaftDie Bedeutung des Nationalsozialismus für Auseinandersetzungen in der Gegenwartist in den letzten Jahren entgegen allen Historisierungs-Erwartungen eher gestiegen.Zugleich hat die Forschung diese Zeit unter neuen Perspektiven und Fragestellungenbesser erschlossen.Der Band bietet Schlüsseltexte zur Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Nationalsozialismus ebenso wie zur Außen- und Rüstungspolitik. Darüber hinaus enthälter zahlreiche bisher unveröffentlichte Quellen über die Anfangszeit des Nationalsozialismus in Dörfern und kleinen Städten.ISBN 978-3-89974399-9, 240 S., 19,80Gerd Steffens, Thomas LangeDer NationalsozialismusBand 2 (1939-1945): Volksgemeinschaft, Holocaust und VernichtungskriegDie im vorliegenden zweiten Band angebotenen Quellen werden der besonderen historischen Bedeutung von Holocaust und Vernichtungskrieg gerecht. Er bietet nebenSchlüsseltexten zur nationalsozialistischen Außenpolitik und Kriegsführung, zum Holocaust und zur NS-Ostpolitik vor allem Materialien, in denen Wahrnehmungen undHandlungen der Menschen selbst zur Geltung kommen.Aus dem Inhalt: Der Weg in den Krieg Weltkrieg als Weltherrschaftskrieg Dimensionen des Krieges Der Krieg im Osten als Vernichtungskrieg Der Holocaust –Deportation und Vernichtung der europäischen Juden Hitlers Volksstaat im Krieg Ethnische Homogenisierung als zentrales Politikfeld Widerstand, Resistance,Partisanen Befreiung, Niederlage, Zusammenbruch Das nationalsozialistischeDeutschland von außen Ein geschichtspolitisches Lehrstück? Von der „Vergangenheitsbewältigung“ zur „Universalisierung des Holocaust“ISBN 978-3-89974464-4, 368 S., 24,80INFOSERVICE: Neuheiten für Ihr Fachgebiet unter www.wochenschau-verlag.de Jetzt anmelden !Liebe Leserinnen und Leser,im Juni 2011 jährte sich der deutscheÜberfall auf die Sowjetunion zumsiebzigsten Mal. Lange Zeit wurde dieverbrecherische deutsche Kriegs- undBesatzungspolitik kaum beachtet. Millionen Juden, sowjetische Soldaten undZivilisten waren ihr zum Opfer gefallen.Dennoch verblassten in der deutschen»Erinnerungskultur« diese Morde vorden Verbrechen der Roten Armee. DasSchicksal der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion wie auchdas Leid der Flüchtlinge und Vertriebenen standen ganz im Fokus – trotzoftmals gegenteiliger Behauptungen.Erst mit der 1978 publizierten Arbeitvon Christian Streit, Keine Kameraden.Die Wehrmacht und die sowjetischenKriegsgefangenen 1941–1945, über dasSchicksal sowjetischer Kriegsgefangener in deutschem Gewahrsam wurdeeiner breiten deutschen Öffentlichkeiterstmals dieser Teil der NS-Verbrechenvor Augen geführt. Millionen sowjetische Soldaten sind in denKriegsgefangenenlagern der Wehrmacht ums Leben gekommen:Hunger, Seuchen und systematischer Mord waren die Gründe hierfür.Die folgende Diskussion war geprägt von großen Widerständen, sichhiermit auseinanderzusetzen.Seit mit dem Ende der staatssozialistischen Regime auch dieArchive in Ost(mittel)europa offen stehen, sind wichtige Forschungsarbeiten entstanden, die unser Wissen erheblich erweiterthaben. Trotzdem blieben insbesondere Verbrechen der Wehrmachtweiter umstritten, wie die Auseinandersetzungen um die Ausstellung»Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944«des Hamburger Instituts für Sozialforschung in den 1990er Jahrengezeigt haben. Verschiedene Projekte haben das Bild aber erheblichpräzisiert: Die Wehrmacht war im Osten systematisch an Verbrechendes NS-Staates beteiligt.Einsicht 06, redaktionell vor allem von Jörg Osterloh betreut,beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema: Dieter Pohl,einer der führenden Experten zu Holocaust und deutscher Besatzungspolitik in der besetzten Sowjetunion, hat jüngst in einer wegweisenden Studie die Besatzungsherrschaft der Wehrmacht dortunter die Lupe genommen. In seinem Beitrag fragt er nach Parallelenund Unterschieden des deutschen Vernichtungskrieges in der Sowjetunion zum japanischen Vorgehen in China.Felix Römer hat sich in seiner Dissertation mit dem »Kommissarbefehl«, einem jener berüchtigten »verbrecherischen Befehle«,die der Wehrmacht mit auf den Weg in die Sowjetunion gegebenworden waren, befasst. Lange Zeit war von vielen Veteranen und vonTeilen der Forschung bestritten worden, dass auch nur eine Mehrzahlder Wehrmachtseinheiten wie angeordnet politische Kommissare derRoten Armee nach deren Gefangennahme kurzerhand exekutiert hat.Römer hat hierauf flächendeckend das Vorgehen der an der Ostfronteingesetzten Wehrmachtverbände untersucht, und er zeigt, dass derBefehl in der Regel bekannt war und befolgt wurde.Während seit der fundamentalen Studie von Ulrich Herbert,Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in derKriegswirtschaft des Dritten Reiches, Mitte der 1980er Jahre derEinsatz von Zwangsarbeitern im »Großdeutschen Reich« in zahlreichen Untersuchungen für die meisten Orte, Branchen und vieleGroßunternehmen mittlerweile detailliert dokumentiert worden ist,sind die Kenntnisse zum Zwangsarbeitseinsatz in den besetzten Gebieten, zumal in der Sowjetunion, noch sehr lückenhaft. Tanja Penterhat in einer jüngst erschienenen Arbeit die Zwangsarbeit im Steinkohlenbergbau im ukrainischen Donezbecken unter stalinistischerwie unter deutscher (Besatzungs-)Herrschaft 1929–1953 erforscht.Für die Einsicht schildert sie die Zwangsarbeit unter deutscher Besatzung, macht zugleich aber auch auf das Nachkriegsschicksal derBetroffenen in der Sowjetunion aufmerksam.Das Fritz Bauer Institut freut sich, im Oktober seine neue Gastprofessorin, die Literaturwissenschaftlerin PD Dr. Birgit R. Erdle,sowie einen neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter, Dr. ChristophDieckmann, willkommen zu heißen. Beide werden Ihnen mit ihrenjeweiligen Projekten in diesem Heft näher vorgestellt. Hinweisenwollen wir ebenfalls auf die kürzlich eingerichtete Website »Vordem Holocaust – Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen«, dievon Monica Kingreen erarbeitet wurde.Prof. Dr. Raphael Gross und Dr. Jörg OsterlohFrankfurt am Main, im September 2011Adolf-Damaschke-Str. 10, 65824 Schwalbach/Ts., Tel.: 06196/86065, Fax: 06196/86060, [email protected] 06 Herbst 2011Abb. oben: Raphael Gross, Foto: Helmut Fricke;unten: Jörg Osterloh, Foto: Werner Lott

InhaltPädagogisches ZentrumFrankfurt am Main92939495Mitteilungen und BerichteAngebote und BeratungNeues Internetportal: Vor dem Holocaust.Fotos zum jüdischen Alltagsleben in HessenFührungen und StudientageNachrichten und BerichteInformation und Kommunikation4Fritz Bauer InstitutIm ÜberblickEinsichtForschung und VermittlungDas Institut / Mitarbeiter / GremienThemenschwerpunkt: Vernichtungskrieg. 70. Jahrestag desdeutschen Überfalls auf die SowjetunionVernichtungskrieg. Der Feldzug gegen die Sowjetunion1941–1944 im globalen Kontext / Dieter Pohl»Verbrecherische Befehle«. Die Wehrmacht und dieKommissarrichtlinien / Felix RömerKohle für Hitler. Der Donbass unter deutscher Besatzung /Tanja tprofessur am Fritz Bauer Institut:PD Dr. Birgit R. ErdleLehrveranstaltungenTagung: Der Holocaust und die Geschichte derVölkermorde im 20. JahrhundertWorkshop: Karrieren von Wirtschaftsbürgern währendund nach dem HolocaustWanderausstellung: Legalisierter RaubNeuerscheinungenAktuelle Publikationen des Instituts11121213Liliane Weissberg (Hrsg.), Affinität wider Willen? HannahArendt, Theodor W. Adorno und die Frankfurter SchuleRonny Loewy, Katharina Rauschenberger (Hrsg.), »DerLetzte der Ungerechten«. Der Judenälteste BenjaminMurmelstein in Filmen 1942–1975Christoph Dieckmann, Deutsche Besatzungspolitik inLitauen 1941–1944Neuer Mitarbeiter: Dr. Christoph Dieckmann324096989910010248Aus dem InstitutAxel Springer. Juden, Deutsche und Israelis /Anne GemeinhardtDoktorandenseminar: Neue Forschungen zu Geschichteund Wirkung des Holocaust / Jörg OsterlohTrude Simonsohn. Empfang und Feierstunde zum90. Geburtstag / Werner LottAus Kultur und WissenschaftGemeinsam handeln – Brücken bauen. 10 Jahre ConActund Israel Youth Exchange Council / Werner LottDie Chronik des Gettos Łódź/LitzmannstadtRobert Weinstein (28.2.1883–8.11.1938). BiografischeSkizze des ersten Toten der Novemberpogrome 1938 /Kurth Schilde5658Rezensionsverzeichnis:Liste der besprochenen BücherRezensionen: Aktuelle Publikationenzur Geschichte und Wirkung des HolocaustChristoph DieckmannDeutsche Besatzungspolitikin Litauen 1941–1944Die deutschen Verbrechen in Litauenaus der Perspektive der Besatzer,der Bevölkerung und der Opfer.2 Bd., zus. 1605 S.,geb., Schutzumschlag, Schuber79,– Euro (D); 81,30 Euro (A)ISBN 978-3-8353-0929-6Arno LustigerRettungswiderstandÜber die Judenretter in Europawährend der NS-ZeitEine umfassende Dokumentation der alltäglichen und der spektakulären, der gelungenenund der gescheiterten Rettungsversuche inganz Europa.»Ein Buch, das niemand lesen kann, ohnePausen und Unterbrechungen einzulegen,um seine Fassung wiederzugewinnen.«Ralph Giordano, Die Welt462 S., geb., Schutzumschlag29,90 Euro (D); 30,80 Euro (A)ISBN lungen des InstitutsRezensionenBuchkritikenNeu bei Wallstein103105105Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderungder Juden in Hessen 1933–1945Die IG Farben und das KZ Buna/MonowitzEin Leben aufs neu. Das Robinson-AlbumFriedrich Kellner»Vernebelt, verdunkeltsind alle Hirne«Tagebücher 1939–1945Hg. von Sascha Feuchert, Robert Martin Scott Kellner,Erwin Leibfried, Jörg Riecke und Markus Roth»Kellners Tagebuch ist als zeithistorisches Dokument so bedeutsam, dass man es ohne weiteresmit Victor Klemperers ›Ich will Zeugnis ablegenbis zum letzten‹ vergleichen kann.«Helmut Lölhöffel, Süddeutsche Zeitung106Publikationen des Fritz Bauer InstitutsJahrbuch / Wissenschaftliche Reihe / Schriftenreihe u.a.112Impressum2 Bd., zus. 1134 S., 104 Abb.,geb., Schutzumschlag, Schuber59,90 Euro (D); 61,60 Euro (A)ISBN 978-3-8353-0636-3Wallstein Verlag Geiststraße 11 D-37073 GöttingenTel. 49 551 / 5 48 98-0 Fax 49 551 / 5 48 98-34Einsicht 06 Herbst 2011www.wallstein-verlag.de3

Fritz Bauer InstitutIm ÜberblickMitarbeiter und ArbeitsbereicheDirektorProf. Dr. Raphael GrossGastprofessur am Fritz Bauer InstitutPD Dr. Birgit R. Erdle (Technische Universität Berlin)AdministrationDorothee Becker (Sekretariat)Werner Lott (Technische Leitung und Mediengestaltung)Manuela Ritzheim (Leitung des Verwaltungs- undProjektmanagements)Das Fritz Bauer InstitutDas Fritz Bauer Institut ist eine interdisziplinär ausgerichtete, unabhängige Forschungs- und Bildungseinrichtung. Es erforscht unddokumentiert die Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen – insbesondere des Holocaust – und deren Wirkung bisin die Gegenwart.Das Institut trägt den Namen Fritz Bauers (1903–1968) und istseinem Andenken verpflichtet. Bauer widmete sich als jüdischerRemigrant und radikaler Demokrat der Rekonstruktion des Rechtssystems in der BRD nach 1945. Als hessischer Generalstaatsanwalthat er den Frankfurter Auschwitz-Prozess angestoßen.Am 11. Januar 1995 wurde das Fritz Bauer Institut vom LandHessen, der Stadt Frankfurt am Main und dem Förderverein FritzBauer Institut e.V. als Stiftung bürgerlichen Rechts ins Leben gerufen. Seit Herbst 2000 ist es als An-Institut mit der Goethe-Universitätassoziiert und hat seinen Sitz im IG Farben-Haus auf dem CampusWestend in Frankfurt am Main.Forschungsschwerpunkte des Fritz Bauer Instituts sind die Bereiche »Zeitgeschichte« und »Erinnerung und moralische Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Holocaust«. Gemeinsam mitdem Jüdischen Museum Frankfurt betreibt das Fritz Bauer Institutdas Pädagogische Zentrum Frankfurt am Main. Zudem arbeitet dasInstitut eng mit dem Leo Baeck Institute London zusammen. Die ausdiesen institutionellen Verbindungen heraus entstehenden Projektesollen neue Perspektiven eröffnen – sowohl für die Forschung wiefür die gesellschaftliche und pädagogische Vermittlung.Die Arbeit des Instituts wird unterstützt und begleitet vom Wissenschaftlichen Beirat, dem Rat der Überlebenden des Holocaustund dem Förderverein Fritz Bauer Institut e.V.Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und MitarbeiterDr. Dmitrij Belkin (Zeitgeschichtsforschung)Dr. Christoph Dieckmann (Zeitgeschichtsforschung)Anne Gemeinhardt (Zeitgeschichtsforschung)PD Dr. Werner Konitzer (stellv. Direktor, Forschung)Dr. Jörg Osterloh (Zeitgeschichtsforschung)Dr. Katharina Rauschenberger (Programmkoordination)Dr. Wolfgang Treue (Zeitgeschichtsforschung)Pädagogisches Zentrumdes Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums FrankfurtDr. Wolfgang GeigerMonica KingreenGottfried Kößler (stellv. Direktor, Pädagogik)Manfred LevyDr. Martin LiepachStiftungsratArchiv und BibliothekWerner RenzFür die Stadt Frankfurt am Main:Petra RothOberbürgermeisterinProf. Dr. Felix SemmelrothDezernent für Kultur und WissenschaftFreie Mitarbeiter, Gastwissenschaftler, DoktorandenAmir Engel (Taube Center for Jewish Studies, Stanford University)Ronny Loewy (Cinematographie des Holocaust)Katharina Stengel (Doktorandin der Fritz Thyssen Stiftung)Rat der Überlebenden des HolocaustTrude Simonsohn (Vorsitzende und Ratssprecherin),Siegmund Freund, Dr. Heinz Kahn, Inge Kahn,Dr. Siegmund Kalinski, Prof. Dr. Jiří Kosta,Katharina Prinz, Dora Skala, Tibor WohlAbb.: Haupteingang des IG Farben-Hauses auf dem Campus Westendder Goethe-Universität Frankfurt am Main. Foto: Werner Lott4Fritz Bauer InstitutFür das Land Hessen:Volker BouffierMinisterpräsidentEva Kühne-HörmannMinisterin für Wissenschaft und KunstFür den Förderverein Fritz Bauer Institut e.V.:Brigitte TilmannVorsitzendeHerbert Mai2. Vertreter des FördervereinsFür die Goethe-Universität Frankfurt am Main:Prof. Dr. Werner Müller-EsterlUniversitätspräsidentProf. Dr. André FuhrmannDekan, Fachbereich Philosophie undGeschichtswissenschaftenEinsicht 06 Herbst 2011Wissenschaftlicher BeiratProf. Dr. Joachim RückertVorsitzender, Goethe-Universität Frankfurt am MainProf. Dr. Moritz Epplestellv. Vorsitzender, Goethe-Universität Frankfurt am MainProf. Dr. Wolfgang BenzZentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität BerlinProf. Dr. Dan DinerHebrew University of Jerusalem/Simon-Dubnow-Institut fürjüdische Geschichte und Kultur e.V. an der Universität LeipzigProf. Dr. Atina GrossmannThe Cooper Union for the Advancement of Science and Art, New YorkProf. Dr. Volkhard KniggeStiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-DoraProf. Dr. Marianne Leuzinger-BohleberSigmund-Freud-Institut, Frankfurt am MainProf. Dr. Gisela Miller-KippHeinrich-Heine-Universität DüsseldorfKrystyna OleksyStaatliches Museum Auschwitz-Birkenau, OświęcimProf. Dr. Walter H. PehleS. Fischer Verlag, Frankfurt am MainProf. Dr. Peter SteinbachUniversität MannheimProf. Dr. Michael StolleisGoethe-Universität Frankfurt am Main5

VeranstaltungenHalbjahresvorschauLiaison von Antisemitismus und Kulturkritik, zum Begriff des Überlebens nach Auschwitz und zum Schadensdiskurs nach 1945.Birgit R. Erdle wird am HistorischenSeminar der Goethe-Universität und amFritz Bauer Institut für zwei Semester alsGastprofessorin lehren und forschen.Gastprofessur am Fritz Bauer InstitutWhy the Germans?Jüdische Intellektuelleüber NS-Deutschland,1938–1949Gastprofessur am Fritz Bauer InstitutPD Dr. Birgit R. ErdlePD Dr. Birgit R. Erdle, Vorlesung, dienstags,16.00–18.00 Uhr (18.10.2011 bis 7.2.2012), CampusWestend, Casino-Gebäude, Raum 1.811, Institutionen:Fritz Bauer Institut und Historisches SeminarZ u m Wi n t e r s e m e s t e r2011/2012 wurde PD Dr.Birgit R. Erdle auf die Gastprofessor amFritz Bauer Institut berufen. Die Gastprofessur ist der Erforschung des Holocaust undder deutsch-jüdischen Geschichte gewidmet.Birgit R. Erdle ist Literaturwissenschaftlerin und lehrt als Privatdozentin ander Technischen Universität Berlin. Ihre Habilitationsschrift Literarische Epistemologieder Zeit. Lektüren zu Kant, Kleist, Heine undKafka wird 2012 im Wilhelm Fink Verlagin München erscheinen. Birgit R. Erdlehatte Vertretungs- und Gastprofessuren derUniversität Wien, der TU Berlin und an derEmory University Atlanta inne. Als Lehrbeauftragte am Leo Baeck Institute Londonlehrte sie an der University of Sussex (MAin Modern European Jewish History, Culture and Thought). Schwerpunkte ihrer Forschung liegen im Bereich deutsch-jüdischerLiteratur- und Ideengeschichte, der Literaturund Wissenschaftsgeschichte des Traumas,der Kulturtheorie 1800/1900, der Bezügevon Materialität, Gedächtnis und Wissen undder Nachgeschichte des Nationalsozialismusund des Holocaust. Neben ihrem Buch Antlitz – Mord – Gesetz. Figuren des Anderenbei Gertrud Kolmar und Emmanuel Lévinas(Passagen Verlag, Wien) hat sie gemeinsammit Elisabeth Bronfen und Sigrid Weigel denBand Trauma. Zwischen Psychoanalyse undkulturellem Deutungsmuster herausgegeben,der im Böhlau Verlag erschien, und ebenfallsmit Sigrid Weigel das Buch Fünfzig Jahredanach. Zur Nachgeschichte des Nationalsozialismus (vdf Hochschulverlag Zürich)publiziert. Darüber hinaus ist sie Verfasserinzahlreicher Artikel in Zeitschriften und Sammelbänden zu ideengeschichtlichen, literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen,unter anderem zu Kitsch und Vergessen, zur6VeranstaltungenGastprofessorin Birgit R. Erdle, Foto: privatDer frühe Diskurs überdas nationalsozialistischeDeutschland und seine Judenpolitik, denemigrierte jüdische Intellektuelle vor allemin den USA entwickelten, ist bisher systematisch noch kaum erforscht. Diesen frühenDiskurs, zentriert auf den Zeitraum zwischen1938 und 1949, will die Vorlesung rekonstruieren. Sie fragt nach den Begriffen, den Denkfiguren und Erklärungsmustern, die über dieGenese und die Folgen dieser Politik nachdenken und die Erfahrung der Verfolgungaufzufangen versuchen. Die Aufmerksamkeitgilt dabei auch den Sprachverhältnissen undden Schreibräumen des Exils, den places unddisplaces, in denen dieses Denken stattfindet.Der zu untersuchende Diskurs durchquertunterschiedliche Genres: Historiographien,Essays, literarische Texte, aber auch Briefe,Projektentwürfe und journalistische Artikel,wie sie zum Beispiel in der Zeitschrift Commentary veröffentlicht sind. Neben Textenvon Hannah Arendt, Theodor W. Adorno undMax Horkheimer wird es unter anderem umSchriften von Hermann Broch, SiegfriedKracauer, Charlotte Beradt, Soma Morgenstern und Franz Neumann gehen.Gastprofessur am Fritz Bauer InstitutLehrveranstaltungErste Blicke und BriefeKontaktaufnahmen ausdem Exil nach 1945Moral nach AuschwitzVon »Unser Auschwitz« zur»Auschwitzkeule«PD Dr. Birgit R. Erdle, Seminar, montags,12.00–14.00 Uhr (17.10.2011 bis 6.2.2012), CampusWestend, IG Farben-Haus, Raum 4.401, Institutionen:Fritz Bauer Institut und Historisches SeminarPD Dr. Werner Konitzer, Seminar, dienstags10.00–12.00 Uhr (25.10.2011 bis 7.2.2012)Campus Westend, IG Farben-Haus, Raum 501Institutionen: Fritz Bauer Institut und Fachbereich 8 –Philosophie und Geschichtswissenschaften»Kein Land, sondern einPlatz, im Vacuum gelegen«– so beschreibt Siegfried Kracauer in einemBrief an Leo Löwenthal vom Oktober 1960Deutschland. Im Seminar werden wir unsmit Texten von Autoren beschäftigen, dieder Verfolgung im nationalsozialistischenDeutschland oder in Österreich durch dieFlucht ins englische oder amerikanische Exilentkamen und die 1945 oder danach, unterverschiedenen Umständen, zurückkehrten.Es sind Texte, die in der »Lücke zwischenVergangenheit und Zukunft« (HannahArendt) stehen und von der Erfahrung derersten Wiederbegegnung mit den Ortender Verfolgung zeugen – darunter Texte von Jochanan Bloch, Günter Anders,Robert Neumann, Hannah Arendt, SiegfriedKracauer, Theodor W. Adorno und MaxHorkheimer. Den »ersten Blicken«, die dieTexte auf diese Orte werfen, und den ersten Kontaktaufnahmen, die die Autoren inBriefen versuchen und die den Grund, dieBedingungen für ein Gespräch ausloten, willdas Seminar nachgehen. Unsere Lektürenwerden danach fragen, was die Autoren beobachten, an wen sie ihre Wahrnehmungenadressieren, wie sich ihr Blick aus einertransatlantischen Verschiebung herschreibt,wie die Briefe die Suche nach einem Gegenüber gestalten und wie sie die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Nichtmöglichkeitenfür eine Rückkehr verhandeln.Einsicht 06 Herbst 2011In dem Seminar werdenTexte und Kontroversen,die sich in Deutschland nach 1945 bis indie Gegenwart hinein mit den nationalsozialistischen Verbrechen befassen, im Hinblickauf ihre ethischen und moraltheoretischenImplikationen gelesen und diskutiert. Dieleitende Fragestellung ist, wie weit in denverschiedenen Stellungnahmen so etwaswie ein Fortwirken nationalsozialistischer»Moral« zu finden ist, welche Verschiebungen stattfinden. Dabei sollen die Texte auchimmer auf die Geltung ihrer Argumente hingelesen werden. Texte unter anderem vonKarl Jaspers und Martin Walser, zur Schuldfrage und zur Eichmann-Kontroverse.LehrveranstaltungDie Wannsee-Konferenz1942Dr. Jörg Osterloh, Übung, dienstags, 10.00–12.00Uhr (25.10.2011 bis 7.2.2012), Campus Westend,IG Farben-Haus, Raum 3.401, Institutionen:Fritz Bauer Institut und Historisches SeminarAm 20. Januar 1942 trafensich hochrangige Vertreterverschiedener Reichsministerien sowie Partei- und SS-Funktionäre zu einer »Besprechung mit anschließendem Frühstück« ineiner Villa am Großen Wannsee in Berlin.Zu den Teilnehmern zählten unter anderemder Chef des ReichssicherheitshauptamtesNEU beiCampus2011221 Seiten 29,90ISBN 978-3593-39516-6Viele deutsch-jüdische, aber vollständigassimilierte Schriftsteller sahen sich 1933plötzlich entwurzelt. Obwohl manche emigrierten, waren sie zugleich gezwungen,sich erneut mit dem Judentum auseinanderzusetzen, mit dem sie sich nicht mehridentifizierten. Der Band beschreibt dieseSituation anhand von Lebensgeschichten,aus denen die Treue der Juden zu deutscher Kultur und Sprache erschütterndsichtbar wird.2011308 Seiten 34,90ISBN 978-3593-39413-8Viel wurde in den letzten 20 Jahren überdie Schuld der Wehrmachtssoldaten anden NS-Kriegsverbrechen geschrieben.Ute Mank hat neun von ihnen intensivbefragt, ohne sie zu konfrontieren. Ausdiesem Erinnerungsmaterial hat sie dieverborgenen und verleugneten Ebenendes Themas herausgefiltert: Sie identifiziert Hingabe an Hitler, den Wunsch nachAufwertung, anhaltenden Antisemitismusund Enttäuschung darüber, dass die grandiose Zukunft ausgefallen ist. Ihr Buchist eine intime Auseinandersetzung mitSchuld und Verdrängung.www.campus.de7

Reinhard Heydrich, Gestapochef HeinrichMüller sowie die Staatssekretäre MartinLuther (Auswärtiges Amt), Wilhelm Stuckart (Reichsinnenministerium) und RolandFreisler (Reichsjustizministerium). Das Protokoll der Sitzung führte Adolf Eichmann.Gegenstand der Besprechung war die Organisation und Koordinierung des systematischen Völkermords an den europäischenJuden. Die Übung befasst sich mit der Bedeutung des Treffens für die Durchführungdes Holocaust und nimmt die Rolle der aufder Konferenz vertretenen Personen und Institutionen beim Völkermord in den Blick.Darüber hinaus sollen die Erinnerung an dieKonferenz nach 1945 und der langwierigeWeg zu einer Gedenkstätte am historischenOrt behandelt werden.Die Teilnehmerzahl ist auf 25 beschränkt. Anmeldungen ausschließlich perE-Mail: gJüdisches Leben undVerfolgung in der NS-Zeitals zwei unterschiedlicheThemen im Unterrichtder GrundschuleZeitzeugen. An einem Freitagnachmittagwird zusätzlich der Besuch eines Gottesdienstes in einer Synagoge stattfinden.(Bitte hierfür etwas mehr Zeit einplanen.)Ein Kinderstadtführer zum früheren jüdischen Leben in einer hessischen Kleinstadt,der auch die Einschnitte für die jüdischen Familien durch die NS-Verfolgung beschreibt,wird vorgestellt. Weitere Möglichkeiten derAnnäherung für ältere Grundschulkinder andiese Themen, wie beispielsweise das Gedenkprojekt »Stolpersteine«, werden kritisch reflektiert.LehrveranstaltungNationalsozialismusim SchulbuchDr. Wolfgang Geiger, Dr. Martin Liepach, Übung,freitags, 14.00–16.00 Uhr (28.10.2011 bis 10.2.2012)Campus Westend, IG Farben-Haus, Raum 454Institutionen: Fritz Bauer Institut und Institut für dieDidaktik der GeschichteIn diesem Seminar werden die Möglichkeiten undGrenzen ausgelotet, mit älteren Grundschulkindern jüdisches Leben in Vergangenheitund Gegenwart sowie die Verfolgung derJuden in der NS-Zeit zu thematisieren.Einschlägige hilfreiche Kinderbücherwerden vorgestellt und kritisch betrachtet.Mehrere Exkursionen zu Stätten Frankfurter jüdischen Lebens heute und inder Vergangenheit sind ebenso vorgesehen wie die Begegnung mit einemIn dieser Übung sollen dieeinschlägigen Geschichtslehrbücher im Hinblick auf die Thematisierung des Nationalsozialismus und damitverbundener Themen analysiert werden.Ein besonderer Schwerpunkt wird dabeiauf der Darstellung der jüdischen Perspektive, des Antisemitismus und des Verfolgungsaspekts bis zum Holocaust liegen.Der Nationalsozialismus ist die für Deutschland und Europa einschneidendste undfolgenschwerste Epoche der jüngeren Geschichte. Das Problem des Erinnerns undGedenkens im öffentlichen Raum, derFrage nach Schuld und Verantwortungsowie des adäquaten Umgangs mit diesem Thema zwischen Historisierung undAktualisierung, vor allem in der Schule,wirft immer wieder neue Diskussionen auf.Die Analyse der Schulgeschichtsbücher wirddaher Aspekte der historisch-sachlichenFaktizität und ihrer politisch-moralischen8VeranstaltungenMonica Kingreen, Seminar, freitags, 14.00–16.00 Uhr(28.10.2011 bis 10.2.2012), Campus Westend, IGFarben-Haus, Raum 3.501, Institutionen: Fritz BauerInstitut und Institut für die Didaktik der GeschichteBewertung mit den Formen ihrer didaktischen Umsetzung im Lehrbuch (Autorentext, Text- und Bildquellen, erschulische Lernorteam Beispiel NS-GeschichteGottfried Kößler, Übung, mittwochs, 14.00–16.00Uhr (26.10.2011 bis 8.2.2012), Campus Westend, IGFarben-Haus, Raum 0.454, Institutionen: Fritz BauerInstitut und Institut für die Didaktik der GeschichteWas ist ein Lernort? Welche Implikationen, Chancen, Grenzen für das Lernen bringt der jeweilige Ort mit sich?Die Übung soll zunächst in die didaktische Literatur zum Thema historische Museen, Denkmäler und Gedenkstätten einführen. Danach werdenexemplarische Lernorte zum Nationalsozialismus in Frankfurt am Main erkundet.Die Übung wird also sowohl Gelegenheit zum praktischen Erfahren der Orte als auch zur theoretischen Reflexiongeschichtsdidaktischer Fragen bieten.Da verschiedene Exkursionen in Frankfurtam Main geplant sind, ist es notwendig, denNachmittag im Anschluss an den Sitzungstermin von ständigen Terminen freizuhalten. Einige Sitzungen werden als Blöckezusammengelegt. Die Bereitschaft, an diesen Blockveranstaltungen teilzunehmen, istVoraussetzung für die Teilnahme.TagungDer Holocaust und dieGeschichte der Völkermorde im 20. JahrhundertZur Bedeutung und Reichweite des VergleichsMontag, 24. und Dienstag, 25. Oktober 2011,Universität Wien, Spitalgasse 2, A-1090 Wien,Aula am Campus, Hof 1, Eingang 1.11Tagung des Instituts für Zeitgeschichte derUniversität Wien und des Fritz Bauer InstitutsDie zeitgeschichtliche Forschung hat noch keine klareAntwort darauf gefunden, inwiefern sich derHolocaust in die Liste der Völkermordverbrechen im 20. Jahrhundert einreihen lässt.War der systematische Massenmord an denJuden eines von vielen staatlich organisierten Verbrechen im vergangenen Säkulum?Wenn dem so war: Was bedeutet dies für dieviel diskutierte Vorstellung von der Singularität des Holocaust? Worin lagen – unter vergleichenden Aspekten – die Besonderheitendes Judenmords? Was war den Zeitgenossendes »Dritten Reichs« über den Völkermordan den Armeniern und andere Gewaltexzesse gegen Zivilisten bekannt, die im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg standen?Welche Rolle spielte die Kulturpolitik fürdie Radikalisierung des Antisemitismus im»Dritten Reich«? Wie sinnvoll ist es, denHolocaust mit stalinistischen Verbrechenzu vergleichen? Was sind die Merkmalesogenannter ethnischer Säuberungen? Undwas lässt sich zu den Anfängen der Debatte über die Einzigartigkeit des Judenmordssagen? Diese und weitere Fragen stehen imMittelpunkt der Tagung, die das Institut fürZeitgeschichte der Universität Wien und dasFritz Bauer Institut gemeinsam veranstalten.Ziel ist es, die wissenschaftlichen Ansätze und Erträge der noch relativ jungenForschungsdisziplin der komparativ ausgerichteten Genozidforschung zu diskutieren,nach den Stärken, aber auch nach denGrenzen des Vergleichs zu fragen und überEinsicht 06 Herbst 2011den historischen Ort des Holocaust in derVerbrechensgeschichte des 20. Jahrhundertsnachzudenken.Tagungsbeiträge› Donald Bloxham (Edinburgh): The Holocaust in Continental Perspective: fromComparison to Contextualisation› Andrea Löw (München): »Ein Verbrechen,dessen Grauen mit nichts zu vergleichenist«: Die Anfänge der Debatte über dieSingularität des Holocaust› Christian Werkmeister (Jena): Genozid:Die Entstehung des völkerrechtlichenStraftatbestandes aus historischer Sicht› Wolf Gruner (Los Angeles): »Armenische Gräuel«: Was wussten Juden undNichtjuden im »Dritten Reich« über denVölkermord von 1915/16?› Christoph Dieckmann (Fritz Bauer Institut): »Jüdischer Bolschewismus«:Antisemitische Gewalt nach dem ErstenWeltkrieg in jüdischer W

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main Prof. Dr. Peter Steinbach Universität Mannheim Prof. Dr. Michael Stolleis Goethe-Universität Frankfurt am Main Abb.: Haupteingang des IG Farben-Hauses auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Foto: Werner Lott Mitarbeiter und Arbeitsbereiche Direktor Prof. Dr. Raphael Gross