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Der Weg in den Beruf - Qualifizierungs- und Arbeitsmöglichkeitenfür Menschen mit LernschwierigkeitenKirsten Hohn, Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung e.V.(BAG UB), HamburgDieser Text ist eine Aktualisierung des 2009 in impulse 49 (2009) erschienenenBeitrags (Stand: September 2011).Der Übergang von der Schule in den Beruf ist für junge Menschen eine entscheidende Zeit, die von einer Aufbruchstimmung, von Hoffnungen und Möglichkeiten einerseits, aber auch von Ängsten, Zweifeln und gesellschaftlichenoder persönlichen Hindernissen andererseits geprägt ist oder sein kann. Gerade die Hindernisse sind für Menschen mit Lernschwierigkeiten häufig besonders hoch. Wie kann eine Wahl für einen Berufs- und Ausbildungsweg getroffen werden? Wie kann dabei ein höchst mögliches Maß an Selbstbestimmungund Teilhabe erreicht werden? Was sind die persönlichen Unterstützungsbedarfe und wie können diese mit den Förderangeboten erfüllt werden? Dies sindFragen, die Jugendliche beim Übergang von der Schule ins Arbeitsleben ebenso beschäftigen wie Eltern und Fachkräfte.In diesem Artikel werden Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten dargestellt,die die Suche von jungen Menschen, ihren Eltern und sie begleitenden UnterstützerInnen nach dem persönlich passendsten Weg in den Beruf erleichternsollen. Hierbei werden Wege der schulischen Berufsorientierung und vorbereitung sowie nachschulische Möglichkeiten und Angebote aufgezeigt.Frau A. arbeitet an ihrer Traumarbeitsstelle, in einem Kindergarten. Nicht, wie sie esursprünglich vorhatte, als pädagogische Mitarbeiterin in einer Kindergruppe, sondernim hauswirtschaftlichen Bereich. Sie sorgt mit dafür, dass die Kindergartenkindermittags etwas zu essen bekommen.Herr B. arbeitet in einem Gartenbaubetrieb. Er pflegt zusammen mit Kollegen dieGärten von Privatmenschen, nach und nach hat er auch das Pikieren von Pflanzenim Betrieb gelernt. Im Winter fallen andere Arbeite – wie z.B. Schnee schippen – an.Frau C. arbeitet in der Poststelle einer Werbeagentur. Sie sortiert dort die Post undbringt sie zu den 200 Angestellten an deren verschiedenen Arbeitsorten.1

Herr D. arbeitet in einem Supermarkt. Er steht dort an der Papppresse, sortiert dasLeergut und räumt Flaschen ins Regal ein. Sein Aufgabenspektrum wird nach undnach erweitert.1Frau A., Herr B., Frau C. und Herr D. sind Anfang 20. Alle vier haben nach mehrerenPraktika und einer nachschulischen Qualifizierungsphase ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden. Eltern,LehrerInnen, Fachkräfte der beruflichen Integration, Kostenträger wie z.B. die Arbeitsagentur oder andere Menschen und Institutionen haben sie auf diesem Wegunterstützt. Alle vier hatten ihre Schulbildung in einer Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung oder (mit der Diagnose „Geistige Behinderung“) in einerIntegrationsklasse einer allgemeinen Schule erhalten.Allerdings bilden Frau A., Herr B., Frau C. und Herr D. (noch) eher Ausnahmen alsdie Regel. Gerade die gelungenen Beispiele beruflicher Integration auch am allgemeinen Arbeitsmarkt sind wichtig, um Vorstellungen davon zu entwickeln, wie dieserWeg gelingen kann, wenn die Betreffenden ihn gehen wollen. Doch auch andereArbeitsformen sind möglich, z.B. in Integrationsbetrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes oder in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder deren Außenarbeitsplätzen2. Für junge Menschen am Ende der Schulzeit ist es wichtig, unterschiedliche Berufs- und Arbeitsfelder sowie Arbeitsstrukturen und Rahmenbedingungenkennenzulernen, damit sie für sich eine passende Entscheidung treffen können.Im Folgenden werden Möglichkeiten dargestellt, wie junge Menschen mit Lernschwierigkeiten dabei unterstützt werden können, den für sie besten Weg in denBeruf zu finden. Die skizzierten institutionellen und pädagogischen Konzepte undAngebote reichen von der Berufsorientierung und -vorbereitung noch während derSchulzeit (1.) über die berufliche Qualifizierung (2.) bis hin zu konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten (3.). Abschießend wird kurz auf das Persönliche Budget als Finanzierungsmöglichkeit verwiesen (4.), mit dem das Ziel von mehr Selbstbestimmung bei der Wahl des je geeigneten Angebots verfolgt wird.1Frau A. und Herr B. haben vor einigen Jahren an einer EQUAL-Maßnahme teilgenommen (vgl. Hohn2005); zu Frau C. vgl. Seeger u. Bauer 2007; das Beispiel von Herrn D. aus Österreich ist dokumentiert von Molitor 2008.2Die genannten Arbeitsformen sind in Kapitel 3 beschrieben.2

1 Berufsorientierung und Berufsvorbereitung in der SchuleEin wesentliches Kriterium für eine individuelle Wahl des Berufs- und Arbeitsfeldesist das Kennen verschiedener Berufe sowie verschiedener Arbeitsformen. In den imRahmen eines EU-Projektes entwickelten „Qualitätsstandards für einen guten Übergang von der Schule in den Beruf“ wird hierfür formuliert: „Um eine Entscheidung füreinen Beruf treffen zu können, müssen Jugendliche und junge Erwachsene Berufe /Berufsfelder kennen und erfahren. Um eine Entscheidung über einen konkreten Arbeitsplatz treffen zu können, müssen unterschiedliche Arbeitssituationen und Betriebskonstellationen bekannt und erfahrbar sein (z.B. Großbetriebe und Kleinbetriebe, Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit KollegInnen)“ (Transition from School toWork 2005: 29).Langjährige Erfahrungen von und mit Menschen mit Behinderungen auf dem Weg inden Beruf und von Professionellen und Projekten, die sich hierbei engagieren, habengezeigt, dass die Vorbereitung auf das Arbeitsleben schon in der Schule beginnenmuss, und zwar nicht erst im letzten Schuljahr. Viele Schulen haben eigene Konzepte für die Berufsorientierung und –vorbereitung entwickelt, in einigen Bundesländernsind auch Integrationsfachdienste (IFD) und andere Institutionen in die Arbeit derSchulen einbezogen. Im Folgenden werden einige Beispiele und wichtige Konzeptbausteine hierzu skizziert.PraktikaPraktika sind gerade für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine grundlegende Möglichkeit, individuelle berufliche Neigungen, Wünsche und Fähigkeiten zu entdeckenund entwickeln. SchülerInnen lernen verschiedene Berufsfelder und Arbeitsorte zunächst durch Betriebs- und Arbeitsplatzerkundungen und intensiver dann durch Praktika kennen. Gerade in Schulen mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“wurden Konzepte entwickelt, in denen die SchülerInnen bereits in der Oberstufe bzw.Hauptstufe – d.h. mit 14-15 Jahren – erste Praktika in Betrieben des allgemeinenArbeitsmarktes oder auch zunächst in einer Werkstatt für behinderte Menschen(WfbM) machen. Diese „Schnupperpraktika“ dauern meist nicht länger als zwei Wochen. In der Berufsschul- oder Werkstufe3 geht es dann mit Erprobungs- und Belastungspraktika weiter: Die Praktikumsdauer wird intensiviert, sowohl im Hinblick aufdie Tages- als auch die Wochenarbeitszeit. Weiterhin geht es darum, unterschiedliche Arbeitsbereiche auszuprobieren und eigene Interessen zu entwickeln und zu3Der in vielen Bundesländern noch übliche Begriff Werkstufe wird zunehmend durch die Bezeichnungen Berufsschulstufe oder berufsvorbereitende Stufe abgelöst, wodurch die Ernsthaftigkeit der Berufsvorbereitung in den letzten drei Schuljahren unterstrichen wird.3

verfestigen. Die Praktikumserfahrungen sind nicht nur für die Entwicklung von individuellen Berufswünschen wichtig, sondern auch im Hinblick auf die Erschließung vonArbeits- oder Ausbildungsplätzen. So benennen ArbeitgeberInnen häufig die Arbeitserfahrung mit einer potenziellen Arbeitnehmerin oder einem potenziellen Arbeitnehmer im Rahmen eines Praktikums als wesentliches Überzeugungskriterium für eineEinstellung (vgl. a. Hohn 2005, 2008). Dies gilt vor allem für Praktika in nachschulischen Qualifizierungsmaßnahmen, die das Ziel der Vermittlung in eine Arbeits- oderAusbildungsstelle haben.4SchülerfirmenEine andere Möglichkeit noch während der Schulzeit Berufe kennen zu lernen undArbeitserfahrungen zu machen wird über die Einrichtung von Schülerfirmen angestrebt. Dort lernen SchülerInnen die Organisation eines Betriebes sowie die Planung,Kostenkalkulation und Durchführung von Arbeitsaufträgen kennen. Wie in „realen“Betrieben werden Lebensläufe geschrieben und Bewerbungsgespräche geführt. AlsMitarbeiterInnen oder Geschäftsleitung stellen SchülerInnen „Produkte selbst heroder bieten Dienstleistungen an, führen kaufmännische Tätigkeiten aus und treffenunternehmerische Entscheidungen“ (Melzer / Laudwein / Eiden 2006: 65). ZahlreicheBeispiele für Schülerfirmen liegen in den Bereichen Gastronomie (Gasthöfe, Betriebskantinen, Cateringservice), Handwerk (Malerbetrieb, Tischlerei, Baufirma, Fahrradwerkstatt), Büro sowie Sozialen Dienstleistungen (Kindergarten, Seniorenheim)vor. In den Schülerfirmen haben die SchülerInnen die Möglichkeit sich auszuprobieren, eigene Interessen und Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln und so einem eigenen Berufswunsch näher zu kommen. Bei einer späteren Bewerbung wirken sich dort gemachte Arbeitserfahrungen oft positiv aus (vgl. Meschenmoser 2005;Melzer / Laudwein / Eiden 2006).bEO - Berufliche Erfahrung und Orientierung für SchülerInnen mit LernschwierigkeitenMit dem Ziel, SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten bei ihrer beruflichen Orientierungzu unterstützen, hat die Hamburger Arbeitsassistenz gemeinsam mit SchülerInnenaus Sonderschulen und Integrationsklassen und in Kooperation mit mehreren Schulen das Angebot bEO entwickelt, das für Lerngruppen konzipiert ist. Die Auseinandersetzung mit beruflichen Perspektiven und die Vorbereitung, Begleitung und Auswertung erster Einblicke in die Arbeitswelt (durch Betriebserkundungen und Praktika)sind Kernelemente von bEO (Hamburger Arbeitsassistenz 2007).4Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Talente“ (2005-2007) wurden in Zusammenarbeit mit den beteiligten Projekten (Bildungsträger, Schulen, IFD) Qualitätskriterien entwickelt, die beider Vorbereitung, Begleitung und Auswertung von Betriebspraktika bedeutsam sind (vgl. Hohn 2008).4

Immer wieder zeigt sich, dass eine rechtzeitige Vernetzung der relevanten AkteurInnen eines beruflichen Integrationsprozesses sinnvoll ist. Die Persönliche Zukunftsplanung und die Berufswegekonferenz sind zwei Konzepte, die den Anspruch der personenbezogenen Vernetzung umsetzen, die Netzwerkkonferenz zieltauf eine regionale Vernetzung relevanter AkteurInnen.Bei der Persönlichen Zukunftsplanung geht es darum, dass Jugendliche eigeneUnterstützerkreise zusammenstellen, mit denen sie ihre Zukunft planen. Hierbei werden sie von ModeratorInnen unterstützt, die den gesamten Planungsprozess begleiten. Alle Beteiligten treffen sich zunächst ein Mal, häufig aber auch in regelmäßigenAbständen zu einer Persönlichen Zukunftskonferenz. Im Mittelpunkt stehen dabei dieindividuellen Wünsche und Interessen, Fähigkeiten und Stärken. Von dort ausgehend werden berufliche und andere Lebensperspektiven unter der Mitsprache undMitwirkung aller Beteiligten geplant. Mit Hilfe der verschiedenen Perspektiven vonEltern, FreundInnen, LehrerInnen und anderen wichtigen Personen wird die Entwicklung und Verwirklichung der Ziele der Hauptperson vorangebracht (vgl. Doose, Emrich u. Göbel 2004; www.persoenliche-zukunftsplanung.de; Schwerpunktausgabe derimpulse zum Thema: impulse 57, 2011). Mit dem Schuljahr 2007/2008 hat Bayern alserstes Bundesland die Persönliche Zukunftsplanung als verbindliches Element in den„Lehrplan für die Berufsschulstufe - Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“ aufgenommen (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2007). Darüber hinaus gibt es bundesweit Schulen, die ebenfalls die Persönliche Zukunftsplanung konzeptionell als Planungsangebot für alle SchülerInnen verankert haben, teilweise in Kooperation mit dem örtlichen IFD oder anderen erfahrenen Fachdiensten.Die Berufswegekonferenz wurde zunächst in Baden im Rahmen eines Modellprojektes des Integrationsamtes des Landeswohlfahrtsverbandes Baden für SchülerInnen von Sonderschulen für sog. geistig Behinderte entwickelt (vgl. Deusch 2002).Ziel ist die berufliche Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in einem Integrationsprojekt oder in einer WfbM. Zum Erreichen dieses Zieles arbeiten Schulen,WfbM, die Berufsberatung der Arbeitsagentur, der Integrationsfachdienst, Integrationsfirmen, ggf. Bildungsträger, die Jugendlichen und ihre Eltern zusammen. DerBeginn dieser Zusammenarbeit liegt am Anfang der Werkstufe (i.d.R. 10. Schulbesuchsjahr). Die einzelfallbezogenen Berufswegekonferenzen ergänzen sich mit regionalen Netzwerkkonferenzen, an denen sich die lokalen bzw. regionalen Institutionenund Akteure des Arbeitsmarktes beteiligen, um Verfahrens- und Kooperationsab-5

sprachen zu treffen. Das Konzept der Berufswege- und der Netzwerkkonferenzenwird auch in andere Bundesländer chdienste sind Dienste, die bei der Umsetzung der Teilhabe schwerbehinderter und behinderter Menschen am Arbeitsleben langfristig beteiligt werden. Sieunterstützen und beraten sowohl behinderte Arbeitssuchende und ArbeitnehmerInnen als auch ArbeitgeberInnen. Die Zielgruppen und Aufgaben der IFD sind in §§109 ff. SGB IX geregelt.IFD können bereits in der Berufsorientierungsphase während der Schulzeit tätig werden, wenn sie von einem Kostenträger dafür beauftragt werden. Sie können SchülerInnen z.B. bei Betriebspraktika, bei der individuellen Berufswegeplanung oder beitheoriereduzierten Ausbildungen unterstützen und dadurch eine schnittstellenübergreifende Funktion einnehmen. Noch steht diese Möglichkeit nicht flächendeckend inganz Deutschland zur Verfügung. Bislang fehlte es an einer gesetzlich und finanziellabgesicherten Leistung, mit der bereits in den letzten zwei bis drei Schuljahren eineBeratung und Begleitung der Jugendlichen durch IFD erfolgen kann und eine Vernetzung insbesondere zwischen IFD und Schulen möglich ist. Mit der „Initiative Inklusion“ und dem „Beruflichen Orientierungsverfahren“ (s.u.) soll dieser Mangel aufgehoben werden. In einigen Bundesländern wurde in den letzten Jahren zunehmend derIFD für den Übergang Schule – Beruf beauftragt, teilweise wurden Stellen(-anteile)hierfür eingerichtet.So wurde eine Begleitung von SchülerInnen durch den IFD insbesondere durchKooperationen und teilweise auch Kostenteilungen verschiedener Kostenträger ineinigen Ländern möglich. Dies trifft z. B. auf Baden-Württemberg zu, wo die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunalverband für Jugend undSoziales als überörtlicher Sozialhilfeträger 2010 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen haben, durch die SchülerInnen vom IFD in der Kombination von Berufsvorbereitender Einrichtung (BvE) und der Kooperativen beruflichen Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (KoBV) unterstützt werden können. DasAngebot war zunächst in Modellregionen entwickelt und erprobt worden. WeitereBeispiele finden sich in Bayern und Schleswig-Holstein. In Bayern tragen das Sozialministerium, das Kultusministerium und die Regionaldirektion der Bundesagenturfür Arbeit gemeinsam die Kosten für die Gesamtmaßnahme „Übergang Förder5Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) und das Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Heidelberg haben gemeinsam die Verbreitung des Konzepts der Berufswege- und Netzwerkkonferenzen im Rahmen der EQUAL-Partnerschaft „Talente“ (2005-2007) an dreiProjektstandorten unterstützt. Regelhaft durchgeführt wird die Berufswegekonferenz für SchülerInnenmit Behinderung mittlerweile z.B. in Bayern (seit dem Schuljahr 2009 / 2010) und in Rheinland-Pfalz(seit dem Schuljahr 2010 / 2011).6

schule – Beruf“, die seit 2007 modellhaft erprobt wurde6. In Schleswig-Holstein wurdedas 2008 in drei Modellregionen gestartete Projekt „Übergang Schule-Beruf“ 2011 zueinem Landesprogramm mit landesweitem Angebot erweitert.Auch mit dem Bundesarbeitsmarktprogramm Job4000 (2007-2013) wird versucht,den IFD zur Unterstützung von SchulabgängerInnen mit einzubeziehen. Dies führt ineinigen Bundesländern zur Entwicklung und teilweise Implementierung von Konzepten des Übergangs Schule-Beruf und einer frühzeitigen Zusammenarbeit zwischenSchulen und IFD. Ziel dieser Projekte ist auch eine langfristige finanzielle Absicherung der aufgebauten Strukturen im Übergang Schule-Beruf. Ein Beispiel für die imRahmen von Job4000 entwickelten Konzepte und deren flächendeckende Verbreitung und Finanzierung ist Rheinland-Pfalz (vgl. Berger 2010).Die guten Erfahrungen der Einbeziehung des IFD in die schnittstellenübergreifendeUnterstützung von SchülerInnen – das heißt von der Berufsorientierung während derSchulzeit über die betriebliche Qualifizierung oder Berufsausbildung bis zur langfristigen Begleitung im Beruf weisen eigentlich darauf hin, dass dieses Angebot bundesweit zur Verfügung stehen sollte. Die seit 2010 begonnene Ausschreibung vonIFD – Leistungen wirkt den einheitlichen IFD-Leistungen (Vermittlung und Begleitung), wie sie im SGB IX beschrieben werden, jedoch entgegen7.Festzustellen ist aber auch, dass die regelhafte Finanzierung der individuellen Unterstützung von SchülerInnen im Übergang Schule-Beruf auf Bundesebene in die Wegegeleitet wird. Ein „Berufliches Orientierungsverfahren“ wird als regelhafte individuelle Berufsorientierung für alle SchülerInnen mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf vorbereitet. Um die konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltungdes Beruflichen Orientierungsverfahrens zu konkretisieren, wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit der „Initiative Inklusion“8 ein Angebotgeschaffen, mit dem die Zahl der unterstützten SchülerInnen deutlich erhöht wird(bundesweit sollen in den Schuljahren 2011/12 und 2012/13 insgesamt 20.000schwerbehinderte SchülerInnen beim Übergang in das Arbeitsleben unterstützt werden). Kernelemente der Initiative Inklusion „sind Kompetenz-analyse und –förderung,Organisation, Durchführung, Auswertung von Praktika vorrangig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Berufswegekonferenzen und Netzwerkstrukturen, Einbindung allerAkteure (Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte, potentielle Kostenträger, potentielle Dienste6zum Projekt und Gesamtmaßnahme „Übergang Förderschule – Beruf“ vgl. Gößl u. Wirsching 2011,Heger 20117Zur Problematik der Ausschreibungen von IFD-Leistungen vgl. die „Stellungnahme zur offenen Ausschreibung der Leistungen der Integrationsfachdienste (IFD) durch die Träger der Arbeitsvermittlung“der BAG UB vom Mai 2011.8Die „Initiative Inklusion“ ist ein Förderprogramm des BMAS und Teil des Nationalen Aktionsplans zurUmsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Das Programmstartet 2011.7

und Einrichtungen) sowie Begleitung von Übergängen in das Arbeitsleben“ (aus derProgrammankündigung des BMAS zur Initiative Inklusion, 2011).Erweiterte vertiefte BerufsorientierungEin weiteres Instrument, dessen Einsatz momentan bis Ende 2013 befristet wurde,ist die erweiterte vertiefte Berufsorientierung (evBO)9. Hierbei werden SchülerInnenauf dem Weg in die Berufswelt unterstützt. Die Inhalte gehen dabei über die in denLehrplänen bereits vorgesehenen Inhalte hinaus und reichen von Interessens- undBerufsfelderkundungen über betriebliche Praktika bis zu einer intensiven individuellen Unterstützung bei der beruflichen Entscheidungsfindung. Im aktuellen „Entwurfeines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“10wird ergänzt, dass in Berufsorientierungsmaßnahmen „die besonderen Bedürfnissevon Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vonschwerbehinderten Schülerinnen und Schülern [ ] bei der Ausgestaltung der Maßnahmen berücksichtigt werden“ sollen11. Die von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte evBO wird von mit den Schulen kooperierenden Maßnahmeträgern durchgeführt.12Die Erkenntnisse aus der Umsetzung des Beruflichen Orientierungsverfahren derInitiative Inklusion sowie der erweiterten vertieften Berufsorientierung sollen zukünftigzu einer langfristigen bundesweiten Regelung führen.BerufseinstiegsbegleitungJugendliche können bei der Erlangung des Schulabschlusses, bei der Berufsorientierung und –wahl, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und bei dessen Stabilisierung von BerufseinstiegsbegleiterInnen unterstützt werden 13. Diese Form der Unterstützung kann im vorletzten Schuljahr beginnen und bis 6 Monate nach Abschlusseines Ausbildungsverhältnisses dauern. Berufseinstiegsbegleiter arbeiten mit Schulen, ArbeitgeberInnen und weiteren Unterstützungspersonen der Jugendlichen zusammen.9In der derzeitig gültigen Fassung des Sozialgesetzbuches III ist die erweiterte vertiefte Berufsorientierung in § 33 in Verbindung mit § 421 q beschrieben. In der zukünftig geltenden Fassung findet sichdies voraussichtlich in § 48 in Verbindung mit § 130.10Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 24.6.2011, Deutscher Bundestag Drucksache 17/627711§ 48 (3) im Gesetzesentwurf.12Die evBO bildet gemeinsam mit der Maßnahme Unterstützte Beschäftigung (s.u.) die Finanzierungsgrundlage für die bereits erwähnte Gesamtmaßnahme Übergang Förderschule – Beruf in Bayern.13vgl. § 421 s SGB III, zukünftig voraussichtlich § 49 SGB III (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 24.6.11)8

2 Von der Schule zur beruflichen QualifizierungNach Beendigung der Schulzeit bestehen für Menschen mit Lernschwierigkeitenverschiedene Möglichkeiten, die berufliche Teilhabe umzusetzen. Um an dieserSchnittstelle einen Übergang und keinen tiefen Einschnitt zu erreichen, sollte dieSuche nach geeigneten Wegen, wie oben beschrieben, bereits während der Schulzeit einsetzen. Zum einen geht es darum Informationen zu sammeln, zum anderensollte der Kontakt zu den zuständigen Leistungsträgern der Maßnahmen und Hilfsmittel bereits frühzeitig aufgenommen werden.Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit ist die maßgebliche Instanz in allenFragen zur Berufswahl und beruflichen Ersteingliederung. Zum einen werden – häufig im letzten Schuljahr – Gruppenberatungen in der Schule durchgeführt. Darüberhinaus findet die persönliche Beratung von Jugendlichen und ihren Eltern statt. ZurEntscheidungsfindung können Eignungsfeststellungsmaßnahmen oder Arbeitserprobungen durchgeführt werden sowie schulische und fachärztliche Gutachten und Gutachten des ärztlichen und psychologischen Dienstes der Agentur für Arbeit herangezogen werden. Die Bundesagentur ist i.d.R. der zuständige Rehabilitationsträger fürLeistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der beruflichen Ersteingliederung. Hierzugehören nicht die Angebote der schulischen Berufsvorbereitung wie das Berufsvorbereitungsjahr, die vom Schulträger finanziert werden.Grundsätzlich gibt es im Rahmen der Berufsschulpflicht Möglichkeiten der schulischen Berufsvorbereitung, insbesondere durch das Berufsvorbereitungsjahr(BVJ), das in fast allen Bundesländern angeboten wird. Ziel für die Teilnehmendendes BVJ ist es, verschiedene Berufsfelder kennen zu lernen und so bei der Entwicklung eines Berufswunsches unterstützt zu werden. Die i.d.R. an Berufsschulen angegliederten BVJ sind in den Bundesländern unterschiedlich konzipiert und tragen teilweise andere Namen. Sie werden für verschiedene Zielgruppen angeboten, je nachRegion gibt es auch integrative und kooperative Angebote. Für ein BVJ bewirbt mansich direkt bei der Schule. Informationen dazu erhält man bereits in der eigenenSchule bzw. durch die Berufsberatung der Arbeitsagentur.2008 wurde von der Bundesagentur für Arbeit eine dreimonatige Maßnahme zur„Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen“ (DIA-AM) eingeführt. Die Maßnahme richtet sich an behinderte Menschen,deren Leistungsfähigkeit im Grenzbereich zwischen den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und der WfbM gesehen wird. Ziel von DIA-AM ist es durch9

eine 4-wöchige Eignungsanalyse und eine 8-wöchige betriebliche Erprobung herauszu finden, welche berufliche Rehabilitationsmaßnahme für einen behinderten Menschen geeignet ist.Für SchulabgängerInnen, AbsolventInnen des BVJ und AbsolventInnen von DIA-AMbesteht die Möglichkeit, an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB),einer Maßnahme der „Unterstützten Beschäftigung“ oder am Berufsbildungsbereicheiner WfbM teilzunehmen. In allen drei Formen erhalten die Teilnehmenden eineberufliche Erstqualifizierung, die über die Agentur für Arbeit finanziert wird.Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB)14Zur Zielgruppe der BvB gehören u.a. junge Menschen mit Behinderung und fehlender Berufseignung, deren Leistungsfähigkeit zwischen den Anforderungen des Berufsbildungsbereichs der WfbM und einer theoriereduzierten Ausbildung nach demBerufsbildungsgesetz anzusiedeln ist (s.u.). Ziel ist die Vorbereitung auf die Aufnahme einer Ausbildung oder die betriebliche Eingliederung ohne eine Ausbildung. MitHilfe von Praktikumserfahrungen sollen die TeilnehmerInnen mehr Entscheidungsmöglichkeiten für ihre Berufswahl bekommen und die erforderlichen Fähigkeiten fürdie Aufnahme einer beruflichen Erstausbildung oder Beschäftigung vermittelt bekommen. Die Regelförderdauer einer BvB beträgt zehn Monate, sie kann auf max.18 Monate verlängert werden.Unterstützte Beschäftigung n. § 38a SGB IXNachdem einige Fachdienste langjährige und gute Erfahrungen mit dem Konzept derUnterstützten Beschäftigung v.a. bei der beruflichen Integration von Menschen mitLernschwierigkeiten gemacht hatten (s.u.), wurde die Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ per Gesetz Ende 2008 eingeführt. Die Umsetzung begann im Mai 2009.Ziel der Maßnahme ist „die langfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung inUnternehmen - also auf dem allgemeinen, regulären Arbeitsmarkt“ (BMAS 2008).Berücksichtigt werden dabei das Wunsch- und Wahlrecht und die Angemessenheitund Geeignetheit der Arbeitsplätze (vgl. BAR 2010). Die Zielgruppe der Maßnahmesind SchulabgängerInnen mit Behinderungen, deren Leistungsfähigkeit zwischen denAnforderungen der WfbM und des allgemeinen Arbeitsmarktes eingestuft wird. Aberauch Menschen, die im Laufe ihres (Erwerbs-) Lebens eine Behinderung erfahren,sollen durch die Maßnahme erreicht werden.14vgl. § 61 / 61a SGB III, zukünftig voraussichtlich § 51 SGB III (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 24.6.11)10

Das Konzept Unterstützte BeschäftigungDefinitionDer europäische Dachverband für Unterstützte Beschäftigung (European Union ofSupported Employment – EUSE) benennt folgende Definition des Konzepts UB(EUSE 2004/2007, S. 13; vgl. auch Doose 2009a):Unterstützung· von Menschen mit Behinderungen oder anderen benachteiligten Gruppen· beim Erlangen und Erhalten· von bezahlter Arbeit (tarifliche bzw. ortsübliche Entlohnung)· in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes,wobei die Unterstützung so lange wie erforderlich gewährleistet wird.Das Konzept der Unterstützten Beschäftigung gilt für alle Menschen unabhängig vonder Art und Schwere einer Behinderung. „Unterstützte Beschäftigung zielt auf bezahlte Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch dann, wenn einsozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht erreicht werden kann“ (BAGUB 2008a). Es greift auch auf, dass für eine langfristige Integration neben der Arbeitauch die Lebensbereiche Wohnen und Freizeit zu berücksichtigen sind. Gesellschaftliche Teilhabe gelingt dann, wenn eine kontinuierliche Unterstützung in allenLebensbereichen durch professionelle und / oder soziale Netzwerke umgesetzt wird.Als konzeptionelle Kernelemente der Maßnahme Unterstützte Beschäftigungn. § 38a SGB IX werden vom BMAS das Prinzip „Erst platzieren, dann qualifizieren“,die individuelle betriebliche Qualifizierung sowie die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und berufsübergreifenden Kenntnissen hervorgehoben (vgl. z.B. Rombach2008). Die Maßnahme gliedert sich in zwei Phasen:1) die „Individuelle betriebliche Qualifizierung“ (InbeQ) mit dem Ziel eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses und2) eine ggf. erforderliche Berufsbegleitung nach Abschluss eines ArbeitsvertragesÜber einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren (ggf. auf drei Jahre verlängerbar) findetdie Individuelle betriebliche Qualifizierung statt, bei der die Teilnehmenden ggf. verschiedene Arbeitsbereiche kennenlernen und im Betrieb die für einen konkreten Arbeitsplatz notwendigen Tätigkeiten vor Ort lernen und sich entsprechende Fähigkei-11

ten aneignen. Unterstützt werden sie von Job Coaches des Leistungserbringers.Begleitend findet ein i.d.R. wöchentliches Gruppenangebot statt.Leistungsträger der InbeQ ist die Agentur für Arbeit. In der Ausschreibung der Maßnahmen durch die Agentur für Arbeit bzw. die Regionalen Einkaufszentren werdenals Zielgruppe „lernbehinderte Menschen im Grenzbereich zur geistigen Behinderung, geistig behinderte Menschen im Grenzbereich zur Lernbehinderung sowieMenschen mit einer psychsichen Behinderung und / oder Verhaltensauffälligkeiten“genannt. Zur Eignungsklärung kann DIA-AM (s.o.) eingesetzt werden. Dies ist aberkeine Zugangsvoraussetzung. Der Personalschlüssel für die Unterstützung beträgt1:5.Für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte15 AbsolventInnen der InbeQ, die imAnschluss ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingehen, kann imRahmen der Unterstützten Beschäftigung eine Berufsbegleitung bewilligt werden,deren Kosten vom Integrationsamt getragen werden. Ziel der Berufsbegleitung ist dielangfristige Sicherung des Arbeitsplatzes und die kontinuierliche Optimierung desPassungsverhältnisses zwischen den Fähigkeiten des / der behinderten Beschäftigten und den Anforderungen des Betriebs (vgl. BAR 2010: § 5 (4)).Erste Erfahrungen aus der Umsetzung der Maßnahme sind auf der Internetseite derBAG UB dokumentiert16.Berufsbildungsbereich der WfbMDie Berufsberatung der Agentur für Arbeit bietet „denjenigen behinderten Menschen,die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bes

Langjährige Erfahrungen von und mit Menschen mit Behinderungen auf dem Weg in den Beruf und von Professionellen und Projekten, die sich hierbei engagieren, haben gezeigt, dass die Vorbereitung auf das Arbeitsleben schon in der Schule beginnen muss, und zwar nicht erst