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1Die Behandlung von Schock- und Traumafolgen- schon immer ein zentrales Thema der Ortho-Bionomy Die Traumabehandlung ist Teil der Ortho-Bionomy seit ihren Anfangstagen und hat sich alsortho-bionomisches Arbeitsfeld immer weiter entfaltet. Dieser Rückblick mag Euch daranerinnern, wie viele Werkzeuge Ihr in der Ausbildung und den Fortbildungen schon erworbenhabt. Alles das könnt und dürft Ihr Euren Patient*innen, die unter den Folgen körperlicherund seelischer Verletzungen leiden anbieten, solange Ihr die Prinzipien der OB beachtet.Wie es begannSiegmund Freud definierte ein Trauma umfassend als eine Situation die dieBewältigungsmechanismen des Menschen überfordert. In der Medizin verstand man bisdahin unter Trauma ausschließlich eine körperliche Verletzung. Der Blick auf diepsychologische Traumatisierung führte zu zwei Therapiewelten, die anfangs wenigBerührungspunkte hatten: Das psychische Trauma in Gegensatz zum körperlichen Trauma.Psychotherapeuten sollten ihre Patient*innen möglichst nicht berühren. Für den Körper gibtes u.a. Ärzte für Chirurgie und Traumatologie – die Unfallchirurgen.Zeitgleich mit der Gründung der Ortho-Bionomy schrieb Peter Levine, Begründer von SESomatic Experiencing, seine Doktorarbeit zum Thema Stress-Aufnahme und Verarbeitung.Belastende Stressfolgen sind nach Levine Zeichen einer unvollkommen abgelaufenen bzw.steckengebliebenen Stressphysiologie. Das passt genau zu Arthur Pauls Konzept der„Verwirrung“ (auf welcher Ebene auch immer), die uns an einer optimalen Selbstorganisationhindert. SE und OB befruchten und ergänzen sich seither gegenseitig.Ressourcen entdecken – Traumareaktionen als ÜberlebenshilfeWie so oft war die Ortho-Bionomy auch in der Traumatherapie zu Beginn etwassensationell Neues. Wir berühren, fokussieren uns nicht auf die „Bekämpfung“ des Traumas,sondern unterstützen die Ressourcen, mit denen der Mensch bis heute überlebt hat. Auchunsere Werkzeuge der Phase 5 und 6 mit denen wir diese Ressourcen stärken und dieEntfaltung unterstützen waren für die Medizin und die Psychologie neu und fremdartig.Stress- und Traumareaktionen dienen ja dem Überleben in Notfallsituationen und Krisen. Essind also gesunde und notwendende Fähigkeiten. Emotionen und Körperwahrnehmungenmüssen zumindest eine Zeit lang unterdrückt werden können. Nur so können wir im Notfallkörperlichen und psychischen Stress in der Wahrnehmung so stark hemmen, dass uns dasfür das Überleben notwendige Handeln möglich bleibt. Auch Starre und Lähmung sind
2Notfallreaktionen. Die Koppelung psychovegetativer Alarmreaktionen an Sinnesreize warntuns hoffentlich vor einer erneuten Gefahr.Flashbacks, die uns mit Panik oder Hilflosigkeit überfluten, uns ohnmächtig machen oderkörperlich-emotionale Starre, die unsere Handlungsfähigkeit und Lebensfreude einschränktsind allerdings Verwirrungen dieser Überlebensmechanismen. In dieser Situation hilft die OBin allen Phasen.Mit der Phase 4 lernen die Betroffenen sich wieder wahrzunehmen und gewinnen dasVertrauen in ihren Körper zurück. Die Phase 5 öffnet den Raum für das Wiedergewinnen derkörperlichen und emotionalen Bewegung. Die Phase 6 enthält einen ganzen Schatz anTherapiewerkzeugen: Ciny Time Zone kann durch das zeitliche Dehnen der Abläufe vondamals die Orientierung und Handlungsfähigkeit wiedergeben. Space between the Notesund der Puzzle Reflex helfen Ressourcen zu finden, sie zu öffnen und situativen Stress ausdem Körper fließen zu lassen Ortho-Bionomy -– Stress- und Traumatherapie ohne SpracheWir dürfen getrost annehmen, dass Arthur Pauls selbst reichlich Erfahrung mittraumatisierenden Erfahrungen auf vielen Ebenen hatte. Trotz aller Rückschläge hatte er denMut unbeirrt wie Pu Bär fest daran zu glauben, dass es eine andere Art geben müsse eineTreppe hinunterzugehen als am Bein gezogen sich an jeder Treppenstufe den Kopfanzuschlagen.Arthur L. Pauls 1988
3Über die OB und ihre Philosophie/Grundlagen sprach Arthur gerne und viel. Über Emotionenund den Umgang mit emotionalen Reaktionen der Patient*innen sprach er praktisch garnicht. Emotionen gingen ihm mit seiner Resonanzfähigkeit schnell zu nahe. Sieüberforderten ihn. Darum war die OB anfangs eine sprachlose Therapie.Trotzdem schuf Arthur die Grundlagen einer erfolgreichen Traumatherapie. Vieles wardamals noch nicht klar, wurde von ihm visionär erahnt und als Samen mitWachstumspotential in die Ortho-Bionomy eingepflanzt.Unconditional love: Das heilsamste „Medikament” ist die Liebe, die vorbehaltloseZuwendung, die unsere Patient*innen in einer guten Sitzung erleben können. Wirinteressieren uns für sie, begeben uns mit ihnen auf die Forschungsreise nach Ressourcen.Sie werden gesehen und unterstützt. Unser ethischer Code legt fest, dass diese Begleitungzeitlich begrenzt ist und das Ziel unserer Arbeit darin besteht, uns überflüssig zu machen.OB schenkt Freiheit.„Avoid fear patterns!“ Tut nichts, was Euch Angst macht! Das Respektieren und Wahren dereigenen Belastungsgrenzen hilft uns gerade in der Traumatherapie unsere Steueraufgabe ineinem von uns verantwortbaren Rahmen zu erfüllen.Arthurs „Handicaps“ geben uns einen ersten Orientierungsrahmen. Sie zeigen, wie aufunterschiedlichsten Lebensebenen Einflüsse auf uns wirken, die es schwer machen, unsereVerwirrungen aufzulösen und uns als Person zu entfalten.Die Behandlungsprinzipien, zu forderst das „Prinzessinnenprinzip“ geben unserenPatient*innen die Sicherheit, in der sie lernen können ihren Körper und ihre Gefühle wiederernst- und damit wahr-zunehmen. Auch ohne Worte lösen sich mit Hilfe der Prinzipienbelastende Muster auf und öffnen sich neue Lösungswege.Arthurs Modell der Phasen 1 - 7 eröffnete später ein besseres Verständnis derWechselwirkungen der Energiemuster unterschiedlicher Belastungen. Damit fällt es leichterRessourcen zu entdecken und zu nutzen. Magische Ängste der Phase 2 brauchen oft dasVerständnis der Phase 6 als Ausgleich und systemischer Stress findet einen Gegenpart inder Phase 5.Die ortho-bionomischen Reflexe spielen eine wichtige Rolle in der Traumtherapie. Derdirekte Volery weckt achtsam ein Gewebe aus der Starre. Der umgekehrte Volery gibt
4kontrolliert mehr Raum für die gestresste Selbstorganisation. Ohne Ciny Time Zone, der unsZugang zu früher Erlebtem ermöglicht, könnte ich mir unsere Traumatherapie nicht mehrvorstellen. So hat jeder Reflex seinen vielfältigen Wert für unsere Arbeit.Regret und ChakraDer erste Reflex, den Arthur direkt gekoppelt an eine somatopsychische Stressreaktionentdeckte, war der Regret. Beziehungsprobleme, die körperliche Symptome zur Folgehatten, mit Worten anzusprechen war nicht Arthurs Sache. Sein Lösungsangebot war dieArbeit mit den Chakren. Das half die gespeicherte innere Anspannung aufzulösen. DieChakren sind als Koordinationsenergie für das Zusammenspiel von Struktur, Funktion,emotionaler und sozialer Interaktion ein geniales Hilfsmittel der Traumaarbeit. Sie eignensich zudem hervorragend für die Selbstbehandlung ohne Worte.Meine zweite Ausbilderin war Kathy Kain, Autorin des ersten Ortho-Bionomy Lehrbuchsund damals Präsidentin der „Society of Ortho-Bionomy International“. Sie fasziniertenbesonders die Möglichkeiten über die Chakren psychische Ursachen von Beschwerdenbesser zu erkennen, zu verstehen und dann auch zu behandeln. Im Chakrabuch findet Ihrviele dieser Themen wieder.Kathy Kain 1990 mit Klaus WeberKathys Interesse bei der Traumatherapie auch mit Worten zu behandeln führten sie zum SE(Somatic experiencing). Heute ist sie eine der wichtigsten Lehrerinnen für SE und vertritt dortden körperorientierten Flügel .Als sie die OB kennenlernte fiel einer anderen Frau ebenfalls sofort auf, dass der OrthoBionomy die Worte fehlten: Michaela Wiese. Bei ihrer Arbeit in der Psychiatrie suchte sienach Möglichkeiten der therapeutischen Berührung, die den Zugang zu den Patient*innen
5erfahrbarer, konkreter, realer machen würden. Die OB hatte dieses Potential der heilsamenBerührung. Leider fehlten der OB die Worte.Kathy Kain (kleiner Kreis), Hans Diepold, Michaela Wiese und Klaus Weber (großer Kreis)Während eines Schock- und Trauma Seminars mit Kathy Kain 1994 in Arizona gab sie – alsin Ausbildung befindliche OB-Schülerin – uns Lehrern Nachhilfeunterricht in therapeutischerGesprächsführung.Ethik und Emotionen auf der Ghost Ranch
6So brachte Michaela bei vielen Tassen Kaffee die Gesprächsführung und die Themen Ethikund therapeutische Kommunikation in die Ortho-Bionomy ein. Das erste SeminarEmotionen und Ethik (Seminar 4) wurde entworfen und eingeführt.Zu diesem Zeitpunkt hatten wir also die Chakraarbeit, die Hinweise auf den Stellenwert einesabgespeicherten Traumas gibt und hilft Zugang zu finden zu Belastungen die nicht mehrbewusst aber immer noch wirksam sind. In die Behandlung über die Chakren können wirReflexe der Phase 6 mit einbeziehen (Siehe Abbildung Puzzle) oder übergehen in die freieAuraarbeit.Chakraarbeit für das Unterleibchakra in der Kombination von Ciny Time Zone und PuzzleMit der Sprache, ergänzt durch Techniken wie das Refraiming oder Imaginationen eröffnetejetzt sich für uns und unsere Patient*innen eine Chance, ihre Geschichte besser zuverstehen, neu einzuordnen und zu integrieren. Mit der Sprache wird es leichter Ciny TimeZone einzusetzen, indem wir unser Gegenüber bitten, sich zurückzuversetzen in einenbestimmten Zeitraum.Die Resonanz im Regret hilft uns feine Hinweiszeichen zu registrieren und verringert dasRisiko der Überdosierung. Genauso wichtig ist immer wieder die Basisbehandlung mit derPhase 4. Sie erdet, bietet manchmal die Rebound Pause im Prozess der Entfaltung.So wie Kinder unsere besten Kraniumlehrer sind, haben uns Kinder immer wieder geholfen,die Energiearbeit besser zu verstehen. Das kleine Mädchen auf meinem Arm öffnete mir dieAugen für ungeahnte Verwirrungsmöglichkeiten. Vor der Entbindung lag es regelrecht um mitdem Kopf voraus geboren zu werden. Im letzten Augenblick drehte die Kleine sich zurück.Das wiederholte sich dreimal. Die Behandlung der Mutter brachte nichts. Darum rief ichAnnik Raoult an, mit der Bitte um Rat. Sie meinte lachend, ich solle nicht die Mutterbehandeln, sondern mit der Kleinen reden. Wie bitte? Wie soll das gehen? Ich kam miretwas merkwürdig vor, als ich mit Erlaubnis der Mutter das Kind im Bauch fragte was den los
7sei. Ohne Worte bekam ich die Antwort als ein Gefühl der Angst vor der Genitalregion. Dakam mir die Erleuchtung: „Du brauchst keine Angst zu haben. Das beunruhigende Gefühl amAusgang hat nichts mit Dir zu tun. Dort liegt nur die Erinnerung Deiner Mamma an einefrühere schreckliche Geschichte. Alle freuen sich auf Dich.“ Zack – das Mädchen begannsich zu drehen und schon am nächsten Tag durfte ich es in der Klinik bewundern.Noch ein Beispiel, dass wir „technisch“ oft nicht viel tun müssen. Manchmal genügt es Zeugezu sein und Präsenz anzubieten: Jakob – 6 Wochen alt – zeigte keinen pathologischenkörperlichen Befund. Sein Stress wegen eines verlorenen Zwillings (Ultraschallnachweis)führte aber zu Verdauungsstörungen, Schlafstörungen und allgemein gedrückter Stimmung.
8Das Ansprechen des Verlustes löst bei Jakob Panik aus und das gemeinsame Durchstehender damit verbundenen Trauer, bis wieder Ruhe einkehrte, strengte uns beide sehr an. Vonden Folgen berichteten die Eltern: „Seit wir bei Ihnen waren schläft Jakob nachts viel leichterein und dann auch bis morgens durch. Auch uns hat unser Termin sehr bewegt undweitergebracht. Jakob ist wie ausgewechselt – ein fröhliches und zugewandtes Kind.“Durch die Arbeit mit den Säuglingen habe ich zu verstehen gelernt, wie umfassend dieelementare Erfahrung der Geburt unser späteres Welterleben prägen kann. Von dieserEinsicht aus ist es nicht weit, sich über systemische Einflüsse Gedanken zu machen.Arthur Pauls hatte im eigenen Leben mehr als genug systemischen Stress mitmachenmüssen. Diese Erfahrungen hatten ja zur Formulierung der Handicaps auf dem Weg derpersönlichen Entfaltung geführt. Arthur fehlten noch die Begriffe und Worte dafür. SeinLösungsansatz war die Ortho-Bionomy . Heute können wir dank der Erkenntnisse dersystemischen Therapie, Tipi, der Pränatalpsychologie, der Stressforschung und andererQuellen die Techniken der OB mit suchenden und klärenden Worten, Bildern und Phantasienverbinden. Dadurch verdichtet sich die Wirklichkeit der Behandlung immer mehr.Ein weiteres Kind hat mich über Jahre erleben lassen wie intensiv Erfahrungen überGenerationen weitergegeben werden. In Vietnam geboren, spielte der kleine Junge imKindergarten auf Michaelas Schoß ungezählte Male das Sterben. Auf seinen frühestenBildern tauchen Bomber, Tunnel und Gräber auf. Das waren Bilder, die er selber niegesehen hatte, die aber zur prägenden Erfahrung seiner Groß- und Urgroßeltern gehörthatten. Seine Ängste bauten sich im Laufe der Jahre ab und auf den noch unbeholfenenZeichnungen der ersten Schuljahre tauchte neben den Ängsten die Hoffnung auf. In demBild unten ist es das kleine Wort „Frieden“. Heute ist er ein selbstbewusster fröhlicher Jungein der Pubertät.
9Die Entfaltung der OB und der Möglichkeiten der Stress- und Traumabewältigung mit Hilfeder OB hört nicht auf. Die Techniken der Stammhirnbehandlung beim Arousal, die vonStefan erforschten Techniken zur Stressbewältigung, Schlafanbahnung und GehirnKörperkommunikation (auch ohne Phase 6) gehören ebenso dazu wie das praktischeUmsetzen guter Ideen aus der Polyvagaltheorie.
10Arthur hat uns immer wieder gefragt: „Soll ich Euch die Wirklichkeit zeigen?“ Er hat sie unsgezeigt – manchmal klar, oft noch wie in einem Nebel verborgen. Mit den Möglichkeiten vonheute die Wirklichkeit tiefer und weiter zu erfassen, freuen wir uns wie früher über dieWahrheit seines Satzes:„There is no healing, there is just understanding.”„Es gibt kein Heilen, es gibt nur Verstehen.“Ich wünsche Euch und Euren Patient*innen viel Freude und Erfolg auf den Wegen desVerstehens.KlausPS:So wie die Anwendung der Chapman- und Goodheart Punkte den Rahmen des Seminars 10gesprengt haben und deshalb jetzt in den unterschiedlichsten Fortbildungsseminarenvermittelt werden, geht es uns mit dem Schock- und Traum-Seminar.Statt in den vier Tagen des Ursprungsseminars werden wir das Thema in unterschiedlichenWirkzusammenhängen und mit den verschiedensten Werkzeugen in Ruhe in mehrerenSeminaren vorstellen. Fest geplant sind in dieser Reihe:Mehr über die Anwendung der Chakren und Reflexe* vom 20.–22.07.2020 mitSchwerpunkt der Chakraanwendung im somatopsychischen Kontext und in Verbindung mitden Reflexen. Der Meresreflex von Doathéa wird auch dabei sein.Werkzeuge für die Traumatherapie* vom 25.–27.01.2021 vermittelt das situationsspezifische Refraiming nach unterschiedlichen Traumatisierungen und die Unterstützungdurch die Arbeit mit dem inneren Kind sowie unseren inneren „Helden und Dämonen“.Kranium und Sinnesorgane mit Bezug zur Polyvagaltheorie* vom 07.–.08.05.2021 stelltMimik und Sprache in der Traumverarbeitung vor in Verbindung mit unseren Hirnnerven undihren Verknüpfungen mit dem Vegetativum bei der Bewältigung von Gefahren.Ab dem 2. Halbjahr 2021 folgen die SeminareSystemische Aspekte und das Familienstellen in der Ortho-Bionomy Geburtstrauma – die Folgen für Mutter und KindStressbewältigungSprache und Kommunikation in der Ortho-Bionomy *
Patient*innen die Sicherheit, in der sie lernen können ihren Körper und ihre Gefühle wieder ernst- und damit wahr-zunehmen. Auch ohne Worte lösen sich mit Hilfe der Prinzipien belastende Muster auf und öffnen sich neue Lösungswege. Arthurs Modell der P