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- ARBEITSPAPIERE -„uallah (.) ich schwöre“ – nur was und warum?Ein jugendsprachlicher Diskursmarker auf dem PrüfstandFür die erfolgten kritischen Anmerkungen, Vorschläge und Korrekturen danke ichNorbert Dittmar, Wolfgang Imo, Friederike Kern und Daniel Steckbauer.AbstractThis paper discusses the use, the function and the linguistic status of the arabic “uallah“ andthe german “ich schwöre” in youth language.The first section describes the creation of the “DFG-JuSpiL-Korpus” (Korpus Jugendspracheim Längsschnitt) and the “Anrufbeantworterkorpus”, the methods and problems in the years2005-2008. The second section focuses on the form and functional analysis of “uallah” and“ich schwöre”; the following intonation analysis with Praat and the sociolinguisticexamination make clear that there are several reasons for the popularity of “uallah”.The last section concentrates on the youth specific discourse marker “ich schwöre”.Keywords: youth language, discourse marker, longitudinal studies, gender specific, ichschwöre, uallah, vallah, wallah

Inhalt1. Einleitung . 22. Das Korpus . 33. Auftreten von schwöre(n) und uallah im JuSpiL-Korpus (Form und Funktionsanalyse) . 53.1 Normalfälle. 53.2 Sonderfälle . 63.3 Intonation von uallah und ich schwöre. 113.4 Positionen von schwöre(n) bzw. uallah. 154. ich schwöre als Diskursmarker . 165. Der jugendsprachliche Diskursmarker ich schwöre im Längsschnitt geschlechtsspezifisch206. Schluss. 20Literatur . 231. EinleitungIn verschiedenen Arbeiten zur Jugendsprache wird seit einigen Jahren auf die Routineformelich schwöre1 hingewiesen; ihrer Funktion, ihrer syntaktischen Rolle und ihrer topologischenStellung wurde allerdings bis heute nicht intensiv nachgegangen.2Betrachtet man verschiedene juventulektale3 Korpora, Webseiten und Fanzines, beobachtetman Gästebücher und Jugendliche in Jugendclubs oder den öffentlichen Verkehrsmitteln, fälltschnell auf, dass diese Routineformel ein großes sprachliches Potenzial besitzt, welchesgenauer untersucht werden sollte.In der deutschen Sprache gilt nach Duden über Schwören, dass man einen Schwur leisten oderablegen kann und damit etwas versichert oder gelobt. Dies kann bekräftigt werden, indemeine Eidesformel (etwa: so wahr mir Gott helfe) hinzugefügt wird. Durch das Schwören kannweiterhin eine bestimmte Ansicht oder Überzeugung bekräftigend dargestellt werden (ichkönnte schwören, ich habe dir das gesagt). Durch das Schwören beteuert oder versichert manetwas auch nachdrücklich (ich schwöre, dass ich davon nichts gewusst habe). Wenn jemandauf die neueste Faltencreme schwört, dann ist dies als Ausdruck des absoluten Vertrauens zudem genannten Produkt zu verstehen.4 Es handelt sich im Searleschen Sinn um einenperformativen Ausdruck.Im gesprochenen Deutsch – und auch in einigen Fanzines und Gästebüchern, in denen dieSchriftsprache an die gesprochene Sprache angeglichen wird5 – erscheinen jedoch ichschwöre-Konstruktionen, die sich in formaler und auch funktionaler Hinsicht von denherkömmlichen unterscheiden. Sie stehen im an den peripheren Rändern und erfüllenteilweise diskursorganisatorische Funktionen. Ein erstes Beispiel soll dies verdeutlichen:1Von nun an ich schwöre. Es sei jedoch auf verschiedene dialektale Abweichungen wie i schwör oder dieKoronalisierung im Türkendeutsch isch schwör hingewiesen.2Vgl. Inken Keim und Jannis Androutsopoulos: F.A.Z. vom 26.01.2000; Peter Auer: ads/tx textdb/9.pdf [Stand: Jan. 2009]; Jannis Androutsopoulos (2002):Ultra korregd Alder, usw.3Vgl. Dittmar (1997): Grundlagen der Soziolinguistik: Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben.4Duden 2005.5Die Beziehung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit wird hier nicht weiter thematisiert (vgl. 6. Schlussdieser Arbeit).

Das Beispiel stammt aus dem Anrufbeantworterteil des JuSpiL-Korpus.6 SP1 ruft über Skypeeinen Freund an. Der Anrufbeantworter nimmt das Gespräch entgegen. SP1 hofft auf einenbaldigen Rückruf (melde dich ma bei mir), er bekräftigt diesen Wunsch nochmals mit machdas mal und beendet den Anruf mit der Routineformel hau rein.[Anrufbeantworter Video 05]7001 SP1:ich schwör dir melde dich ma bei mir; ich schwör abou8 lan (-) ich schwör manmach das mal (-) hau rein9Auffällig ist bereits an diesem Beispiel, dass dem zweiten und dem dritten ich schwör keindirektes Objekt (Ich schwöre dir ewige Treue) oder ein durch den Subjunktor dasseingeleiteter Komplementsatz folgt. Ein Matrixsatz mit uneingeleitetem Nebensatz (wie z.B.Ich schwöre, er war nicht bei mir) liegt ebenfalls nicht vor. Auch eine Präposition wie in Ichschwöre auf die neue Faltencreme existiert in diesen Beispielen nicht. Die außergewöhnlicheVerwendung von ich schwöre deutet bereits hier darauf hin, dass Funktionen erfüllt werden,die das reguläre ich schwöre nicht vorsieht.Ziel dieses Beitrags ist, die jugendsprachlichen Verwendungsweisen von ich schwöre unddem ethnolektalen Pendant uallah darzustellen und diese hinsichtlich ihrer formalen undfunktionalen Auffälligkeiten zu überprüfen. Hier soll der Frage nachgegangen werden, ob sichich schwöre zum Diskursmarker entwickelt bzw. entwickelt hat. Abschließend soll dasAuftreten im Längsschnitt untersucht werden.2. Das KorpusWir greifen für diese Arbeit auf das JuSpiL-Korpus und eine Erweiterung: Das eingebundeneAnrufbeantworterkorpus zurück.Das JuSpiL-Korpus wurde in den Jahren 2005 bis 2008 erhoben und umfasst circa 150Stunden10 auswertbares Gesprächsmaterial. Sämtliche Daten wurden im Zeltlager derDeutschen Schreberjugend e.V. erhoben. Die Gesprächsaufnahmen wurden unterBerücksichtigung verschiedener Forschungsvorhaben erstellt und unterscheiden sich deshalbin Methodik und Qualität der Aufnahmen. Es umfasst sowohl unelizitiertes wie elizitiertesDatenmaterial.Im Jahr 2005 wurden eine Jungen- und eine Mädchengruppe über drei Wochen langbeobachtet.Die Gruppe bildet in Berlin einen Freundeskreis. Die 12 Teilnehmer gehenauf eine Schule, entstammen einer vergleichbaren sozialen Schicht und betreiben dieselbenHobbys. Im Zeltlager wurde die Mädchengruppe von der Jungengruppe zur Nachtruhegetrennt. In den Zelten der beiden Gruppen wurden CMT66 Mikrofone (0,5cm Durchmesser)der Firma Blaupunkt mit Vorverstärkern versteckt. Die Erlaubnis zum Abhören der6Ich danke der DFG für die Unterstützung des Projekts „Jugendsprache im Längsschnitt“ (DI 279/16-1). DieDaten stammen aus dem genannten DFG-Projekt.7Es handelt sich bei allen Beispielen aus dem Anrufbeantworterkorpus um Basistranskripte.8Exkurs: abou ist hier als Interjektion zu werten, die dieselbe Funktion wie krass oder boah etc. erfüllt. Mitjugendsprachlichen Interjektionen beschäftigt sich ausgiebig eine Arbeit, die aus dem Projekt „Jugendsprache imLängsschnitt“ in Kürze hervorgeht.9Transkription nach GAT, Basistranskript: Dazu Dittmar (2009): Transkription.10Ohne Langzeitaufnahmen gerechnet

Gespräche wurde im Vorfeld eingeholt, wobei den Jugendlichen nicht gesagt wurde, wann sieaufgenommen werden. Die Mikrofone wurden an Minidiskrekorder der Firmen Sony undSharp angeschlossen. Weiterhin wurden Aufnahmen bei Diskussionen, Filmvorführungen undbei Aktivitäten des Zeltlagers erstellt. Zusätzlich wurden teilnehmende Aufzeichnungenschriftlich festgehalten. Hier fehlt jedoch eine einheitliche Transkriptionskonvention, damehrere Nicht-Linguisten die Äußerungen der Jugendlichen festgehalten haben.Im folgenden Jahr konnten erneut die Jugendlichen des Jahres 2005 als Teilnehmer derSprachaufnahmen gewonnen werden. Das Korpus besteht aus Aufnahmen, die zum Teil – wieoben geschrieben – „geheim“ erstellt wurden. In diesem Jahr ging es allerdings mehr umAufzeichnungen von Gesprächen mit Betreuern, die abends kurz vor der Nachtruhe ihreJugendlichen ins Bett brachten. Die Fußball-WM war ein recht häufiges Gesprächsthema.Hinzu kommen Langzeitaufnahmen von mehreren Jugendlichen, denen einFestplattenrekorder (Archos AV 500) den ganzen Tag mitgegeben wurde, um das CodeSwitching zu erforschen.Der Beitrag des Jahres 2007 stellt für das Korpus zwar keine quantitative, dafür aber einequalitative Besonderheit dar. Für dieses Jahr wurde eine Java-Software entwickelt, die aufjedem javafähigen Handy installiert werden konnte. Einige Teilnehmer erklärten sich bereit,ihre Handygespräche aufzunehmen. Hier konnten sehr wichtige Aufnahmen gemacht werden,die die Sprachökonomie aufzeigen. Die Jugendlichen standen bei ihren Gesprächen unterbesonderem Druck, da es für sie keine (oder nur wenige) Möglichkeiten gab, das mobileTelefon aufzuladen. So ist die Sprachökonomie notwendiger Bestandteil des Stromsparens.Weiterhin wurden Fotos von Briefen an Freunde und Eltern gemacht, die uns dieJugendlichen zur Verfügung stellten.Im Jahr 2008 wurde auf geheime Sprachaufnahmen verzichtet. Es sollte vielmehr ingegebenen Situationen beobachtet werden, wie Jugendliche miteinander und mit Betreuernkommunizieren. Zu diesem Zweck wurde ein Rollenspiel entwickelt, in dem es darum ging,den Küchendollarschatz (etabliertes Zahlungsmittel im Zeltlager), welcher gestohlen wurde,zurückzuholen. Dazu wurden zwei Teilnehmer an bestimmten Punkten im Zeltlager postiert,die dort einige Zeit beobachten sollten, was auf dem Lagerplatz passiert. Ihnen wurde nichtgesagt worum es ging. Im Abstand von einiger Zeit kamen Betreuer aus der Küche (Lagerortdes Küchendollarschatzes), bewegten sich auffällig (z.B.) mit einem Spaten und einemRucksack in den Wald, spielten Gitarre und gingen dann mit der Gitarrentasche in die Kücheund wieder heraus etc. Natürlich passierten auch Dinge, die mit der Geschichte nichts zu tunhatten. Im Anschluss an die Beobachtungszeit wurden Kurzinterviews mit den Beobachterngeführt, um das Gesehene nochmals zu festigen. Die Beobachter wurden nun zu Informantenfür die Detektiv-Gruppen – bestehend aus einer Jungen- und einer Mädchengruppe – die sichfragend mit Aufnahmegerät durch die Teilnehmer und die Betreuer arbeiten mussten.Natürlich stießen die Detektive nicht immer auf Verständnis, da ja nicht jeder Betreuer oderTeilnehmer wusste, worum es ging. Sobald aber die Informanten gefunden wurden, warenAnhaltspunkte da, die die Ermittlungen vorantrieben und schließlich zum Erfolg führten.Weiterhin wurden Spontanaufnahmen von Mädchen und Jungen angefertigt, die bereits seit2005 im Zeltlager beobachtet wurden. Diese Spontanaufnahmen sind aus soziologischer Sichtsicherlich interessanter als aus linguistischer, da die Mädchen zum ersten Mal über ihrprivates Umfeld sprechen.

Die oben erwähnte Ergänzung zum JuSpiL-Korpus (das Anrufbeantworterkorpus) besteht aus400 aufgenommenen Anrufen eines Skypeanrufbeantworters.11 Der Besitzer desAnrufbeantworters hat eine Software geschrieben, die ihn bei einigen Personengruppen sehrbeliebt, bei anderen sehr unbeliebt gemacht hat. Die Anrufbeantworteraufzeichnungenspiegeln dies sehr gut wieder. Alle Aufnahmen wurden nach GAT zunächst alsBasistranskript transkribiert.3. Auftreten von schwöre(n) und uallah im JuSpiL-Korpus (Form undFunktionsanalyse)3.1 NormalfälleIm derzeitig transkribierten Teil des Korpus befinden sich 182 Fälle, in denen Varianten vonschwören auftreten.i(s)ch12 schwör(e)1. Pers. Sg. Präs.zusammengefasst)ich schwöre es131. Pers. Sg. Präs. mit es als formalem Akkusativobjektich schwöre dir bei gott1. Pers. Sg. Präs. mit Dat. und Präp. Obj.ich schwöre auf koran1. Pers. Sg. Präs. mit Präp. Obj. (ohne Artikel)(teilweisemitKoronalisierungenich schwöre auf hurensohn 1. Pers. Sg. Präs. mit Präp. Obj. (veralbernd, nachmachend)ich schwöre auf allesschwörTilgung des Personalpronomens, dennoch kein Imperativ (Hieralso wie bei ich schwöre 1. Pers. Sg. Präs.14) Es liegen m.E.sprachökonomische Gründe vor.15schwörst du?schwörst du2. Pers. Sg. Präs. Inversion162. Pers. Sg. Präs. Inversion. Hier aber durch die fehlendesteigende Intonation als Aufforderungssatz realisiert. DieseForm wird verwendet, wenn die angesprochene Personbesonders herausgestellt werden soll, bzw. wenn dieAufforderung besonders nachdrücklich17 sein soll.1811Dazu mehr unter http://www.skype.de [Stand: Jan. 2009]Koronalisierungsfälle mit tatsächlichem ethnolektalen Hintergrund werden in einer anderen Arbeit untersucht.Es sei aber erwähnt, dass circa 50% aller Fälle Koronalisierungen aufweisen.13Hier sind auch Verschleifungen einbezogen.14Diese Form ist u. A. aus der Verschleifung von isch schwör zu sch schwör entstanden. Für die vollständigeTilgung des Personalpronomens kommen sprachökonomische Erklärungen in Frage.15Wolfgang Imo (2006) macht am Beispiel von glaub deutlich, dass nicht nur sprachökonomische Prozesse fürdie Verschleifungen verantwortlich sind. Die Verschleifungen deuten seiner Meinung nach auf eine neueFunktion/Verwendung hin.16Vgl. Bertelsmann (1999). Grammatik der Deutschen Sprache. S.481.17Vgl. Duden (2005): Der Imperativ.18Häufig sind es Sprecher mit Migrationshintergrund, die in unserem Korpus ihre Aufforderungssätze sorealisieren. Dieser „ethnolektal markierte“ Imperativ wird auch häufig in den Medien (Dragan und Alder etc.)humoristisch verwendet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Jugendlichen hier diesen stilisierten „MedienImperativ“ nachmachen bzw. aufgegriffen haben.12

3.2 SonderfälleIm Korpus befinden sich einige Sonderfälle, die zumindest Erwähnung finden sollen.uallah ich schwöreuallah [Aussage/Frage/Aufforderung] ich schwöreich schwör soDoppelung: Kombination aus dem arabischen uallah ([ichschwöre auf] bei Gott) und dem deutschen ich schwöre 1.Pers.Sg. Präs.Rahmung arabisch/deutsch 1.Pers.Sg.Präs.Als ZitatmarkeruallahDie Form uallah19()20 tritt im JuSpiL-Korpus und auch in anderen Publikationen inverschiedenen Varianten auf. Die Herkunft kann relativ klar auf den arabischen Sprachraumzurückgeführt werden. Die Übersetzungen und Verwendungsweisen dieser Entlehnung21 sindjedoch recht variabel. So schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Ankündigung zumVortrag „Wallah Israel – Jugend in Israel 2004“22 , dass„Das Wort WALLAH [ ] aus dem Arabischen [kommt] und [ ] ein unterJugendlichen weit verbreiteter israelischer Slang-Ausdruck [ist], der in alle Sätzeeingeschoben wird. Er bedeutet etwa so viel wie ein Rufzeichen vergleichbar demamerikanischen WOW!“In der Habilitationsschrift von Friederike Kern23 finden wir ein Beispiel von deutschtürkischen Jugendlichen:Beispiel(2):tkdtw01 Aydan2350 FIL ja;351SIEHST du, (---)352ich hab hab noch viel verSTÄNDNIS;353ich sag (.) oKAY,354SIE macht so- 355 ich MACH nicht so- 356 eGAL; 357 lass sie MAchen; 358 ich verTRAUe ihr;359(---)19Wir verwenden die phonetisch übersetzte, arabische Schreibweise. In verschiedenen Publikationen wird derSchwur auf Gott bzw. die Entlehnungen auch wallah oder vallah geschrieben.20In der Originalübersetzung also „bei Gott“21Unter Entlehnung verstehen wir die Übernahme neuer Lexeme auf Basis einer anderen Sprache in denWortschatz der Muttersprache. Sie sind ein Phänomen des Sprachwandels durch Sprachkontakte, die aufgeographische, politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Gegebenheiten zurückzuführen sind. (Bartsch undSiegrist 2002)22Ankündigung vorliegend als Printmedium. Ebenfalls im Internet verfügbar 2004/month-11/veranstaltung id-12804/index.html [Stand Jan.2009]23Kern (unveröffentlicht): Das Zusammenspiel von Prosodie und Syntax. S. 107.

360361362363364365366AYD HAdilanach womann(---)FIL ich SCHWÖre;(---)AYD VALlah,wirklichFIL HM hm, (---)Ist das erste ich SCHWÖre (362) noch als Schwören im eigentlichen Sinn zu verstehen (ichvertraue ihr, ich schwöre und bekräftige damit meine Aussage), ist das VALlah (364) hiernicht mehr als Schwören zu interpretieren. Die zweigipflige Antwortpartikel in 366 lässt dieÜbersetzung mit wirklich im Sinne einer Nachfrage zu.Im Anrufbeantworterkorpus finden wir Beispiele wie:[Anrufbeantworter Video 133]:001 SP1 uallah ich schwöre lan (-)002deine soft is einfach ma richtig geil (.)003weiter so (.)004einfach der hammer;005hade;oder[Anrufbeantworter Video 09]:001 SP1 uallah ich schwöre respekt bruda mach weita soEin weiterer Sonderfall ist die Rahmung eines Aussagesatzes durch uallah und ich schwöre:[Anrufbeantworter Video 155]:001 SP1 ((freudig erregt mit aufgeregter Stimme)) uallah (.)002du bist so geil isch schwöre auf koran;Hier zeigt sich die Problematik der Übersetzung und der Einschätzung. Es kann durchausmöglich sein, dass SP1 sagen wollte [ich schwöre] bei Gott, du bist so geil, ich schwöre aufkoran, sinnvoll ist dies aber nicht, da uallah ja bereits den Schwur auf Gott beinhaltet, auchwenn die direkte Übersetzung nur bei Gott ist. Uallah fungiert hier eher als emphatischesMittel, als Interjektion, bei der die genaue Bedeutung erst über den Kontext und dieIntonation entscheidet24. Sollte uallah doch mit ich schwöre aufgefasst werden, handelt essich hier um eine Mehrfachkodierung, die eine Intensivierung bzw. Emphase ausdrückt, dazwei Wörter, die nebeneinander stehen, nicht das gleiche bedeuten können. Uallah im Fallvon uallah ich schwöre kann nicht im eigentlichen Sinn übersetzt werden, da die Doppelungkaum einen Sinn ergeben würde.Die letzten Beispiele von uallah deuten darauf hin, dass in bestimmten (also nicht allen)Fällen eine semantische Verblassung stattgefunden hat. Bekräftigt wird diese Aussage durchdie Form, in der auf das uallah oder das ich schwöre ein Aufforderungs- oder Fragesatz folgt.Dies scheint nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Phänomen zu sein, welches24Vgl. Ehlich (1986): Interjektionen. Tübingen.

sich in den jugendlichen Varietäten25 zeigt. In der aktuellen Fachliteratur finden wir häufigdie These vertreten, dass Entlehnungen in der Jugendsprache Verwendung finden, da es keineadäquaten Übersetzungen gibt, die sowohl die Inhalts- als auch die Apellseite wiedergeben.26Natürlich kann und soll dies nicht als die allumfassende Erklärung gelten, da es durchaus indiesem Fall adäquate Übersetzungen gibt. Häufig scheint es so zu sein, dass sich dieFremdwörter durch eine höhere Effektivität und Funktionalität auszeichnen. Die folgendeUmfrage bestätigt diese These zum Teil:100 deutsche Jugendliche27 ohne Migrationshintergrund wurden im Rahmen einer größerenArbeit zu ihrem Sprachverhalten und auch Sprachwissen ergänzend befragt.28Auf die Frage, warum sie uallah in der alltäglichen Kommunikation verwenden, antwortetensie wie folgt:Antwortweil das alle machenweil es cool istweil es gangster ist29weil es immer passtkeine ahnungKeine Antwort30Jungen31Mädchen299198013Tabelle 2: Umfrage Verwendung von uallahAus Tabelle 2 wird sichtbar, dass uallah bei deutschen Jugendlichen eher aus Gründen derIdentifikation mit einer bestimmten Gruppe verwendet wird. Diese Funktion haben bereitsAugenstein (1998)31 und Schmidt (2004) 32 (mit anderem Bezug) beschrieben. Einfach gesagt:Wer sich mit einer bestimmten Peer-Group identifizieren möchte, muss sich auch undbesonders sprachlich anpassen. Der Anpassungscharakter zeigt sich bei der Antwort „weil esgangster ist“. Hier wird die Identifikation mit der Straßenkultur deutlich. In jugendlichenKreisen gelten - besonders in Großstädten - türkische und arabische Jugendliche als starkbzw. auch aggressiv.33 Auch wenn dieses Verhalten von vielen Jugendlichen nicht begrüßtwird, ist es doch einfacher, sich der starken Masse anzupassen. Der semantische Gehalt bzw.das Wissen um den Inhalt der Lautfolge rückt dabei offenbar in den Hintergrund:Auf die Frage, was uallah bedeutet, antworteten die Jugendlichen der oben ich schwöre81025Eine gute Übersicht zur Diskussion des Varietätenbegriffs findet man bei Dittmar: Varietäten und Stil. S. 141162. ( )26Vgl.: Zifonun (2000): Grammatische Integration jugendsprachlicher Anglizismen. S. 29-33; Schubert undWatzlawick (2004): Sprachwandelwirkung jugendsprachlicher Anglizismen. S. 29-33.2750 Jungen, 50 Mädchen28Vgl. Bahlo (unveröffentlicht): Das Wertesystem der Jugendsprache. Diss.29Die Liste lässt sich weiterführen, der Inhalt der Antwort bliebe jedoch erhalten.30Meist verbunden mit einer beleidigenden Zurückweisung des Interviewers.31Augenstein (1998): Funktionen der Jugendsprache.32Schmidt (2004): Doing Peer-Group. Einen sehr guten Überblick zum Thema bietet Dittmar (2009 i.Dr.): Stilund Sozialität. S. 1245-1270.33Zu dieser Aussage fehlen momentan noch empirische Daten. Die polizeiliche Kriminalstatistik 2007 bestätigtjedoch, dass nichtdeutsche Jugendliche innerhalb ihrer Gruppe weitaus höhere Anteile an Gewalt- undKörperverletzungsdelikten aufweisen, die zu großen Teilen in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. (BMI(2007):Polizeiliche Kriminalstatistik. S.10)

krass, super, toll, boahbei gottkeine ahnungKeine Antwort51159001513Tabelle 3: Umfrage Sprachwissen uallahNatürlich ist eine Befragung zum Sprachwissen fast immer problematisch. Zu viele Faktorenlassen Fehlinterpretationen zu. In diesem Fall ist es für die Jugendlichen einfacher, keineAhnung zu sagen, als über etwas nachzudenken, was ihnen selbst nichts einbringt. EinigeErkenntnisse lassen sich aber dennoch gewinnen. Festzuhalten ist zunächst, dass dereigentliche semantische Gehalt, nämlich der Schwur auf Gott, fast völlig verblichen ist(lediglich eine Nennung). An erster Stelle stehen wirklich und ich schwöre aber auchInterjektionen wie boah.Die Verwendung von uallah ist kontext- und intonationsabhängig und muss nicht mehrzwangsläufig auf einen Schwur zurückzuführen sein. Häufig zeigt sich, dass uallah alszusätzliche Bekräftigung als Adverb (uallah [wirklich], ich schwöre es dir) oder alsInterjektion ([uallah] boah, ich schwöre dir, dass das fantastisch ist) verwendet wird. Esfindet also in bestimmten Fällen im Zuge der Entlehnung eine Rekategorisierung statt, die mitder oben genannten semantischen Verblassung einhergeht. Es handelt sich bei uallah, sobleibt festzuhalten, um eine hybride Form34.ich schwör soEine weitere Sonderform des Schwörens nimmt der Zitatmarker ich schwör so ein. DasAuftreten dieses Zitatmarkers wurde m.E. bis jetzt in keiner wissenschaftlichen Diskussionangesprochen bzw. dokumentiert. Der Zitatmarker tritt in unserem Korpus nur imAnrufbeantworterkorpus in sehr geringem Maße auf35. Da kein anderes Korpus diese Formaufweist, kann von einer sehr jungen Entwicklung ausgegangen werden36.Zwei Beispiele sollen die Verwendung darstellen.[Anrufbeantworter Video 29]:001 SP1 und dann fragt die mich, ob ich die soft schon benutzt habe (.)002ich schwör so (.) is voll genial;[Anrufbeantworter Video 4]:001 SP1 es geht nich imma nach DIah;002er so (.) halt mal die fresse;003ich schwör so (.) morgen blas ich dir einen du wichtel;In Beispiel Video 29 erzählt der Anrufer von einem Gespräch mit einer anderen weiblichenPerson, die dem Erzähler die Frage gestellt hat, ob er die Software bereits benutzt hat. Er gibtseine Antwort bekräftigend durch den Zitatmarker ich schwör so (.) wieder.Das Beispiel Video 4 zeigt ein Gespräch, in dem der Erzähler auf einen Disput mit eineranderen männlichen Person referiert. Der Zitatmarker er so(.) zeigt an, dass eine Wiedergabedes Gesprächspartners folgt, der dem Erzähler den Mund verbieten wollte (halt mal die34Vgl.: Földes (2005): Kontaktdeutsch.n 6, siehe Tabelle 1 (3.4 Positionen von schwöre(n) bzw. uallah)36Beobachtungen in der Feldforschung bestätigen aber, dass es sich nicht nur um Ausnahmeerscheinungenhandelt.35

fresse). Es folgt der Zitatmarker ich schwör so (.), der das Nachfolgende bekräftigt bzw. dasZitat vollständig wiedergibt. Wir können hier und auch im ersten Beispiel nur mutmaßen, obdie Erzähler wirklich ich schwör (.) is voll genial; bzw. ich schwör (.) morgen blas ich direinen du wichtel; gesagt haben. Denkbar sind zwei Lösungen: i) Es wurde tatsächlich gesagt;der Zitatmarker mit ich schwör so gibt das Gespräch korrekt wieder ii) Es wurde nichtgesagt; in der Wiedergabe wird ich schwör so als besondere Bekräftigung oder Herausstellungdes Gesagten verwendet.In der Arbeit zu „und ich so / und er so“37 stellt Andrea Golato die Besonderheiten diesesVorkommens deutlich heraus. Zunächst wird in dem Artikel aufgezeigt, dass dieserZitatmarker nicht auf eine Altersgruppe beschränkt bleibt, dass aber besonders jungeMenschen von ihm Gebrauch machen38. Diese Beobachtung können wir im Hinblick aufverschiedene Korpora39 bestätigen. Golato zeigt, dass der Zitatmarker fast ausschließlich fürNacherzählungen von Erlebnisgeschichten oder Ereignissen verwendet wird, auch - undbesonders da - wo Dialoge die Wiedergabe der Erzählung bzw. des Ereignisses unterstützen:40„In other words, when the noteworthiness of a story is expressed through constructed dialogue, often und ichso/und er so is used.”Der Zitatmarker funktioniert nach Golatos Ansicht als Ersatz für Verben des Sprechens41.Umso erstaunlicher ist die Verwendung von schwören42 im Zusammenhang mit ich so, daGolato der Auffassung ist, dass„[ ] the German quotative contains neither a verbum dicendi (such as meinen 'say, tell, think')nor any other verb.” 43Diese Aussage müssen wir nach unseren Erkenntnissen der letzten Zeit zurückweisen, da auchandere Verben im Zusammenhang mit ich so gefunden wurden. Konzentrieren wir unszunächst auf das Verb schwören, so stellen wir fest, dass es nur im jugendsprachlichenKontext, in besonders expressiven Situationen bzw. in der Wiedergabe von expressivenEreignissen in der Kombination mit dem Zitatmarker auftritt. Die Wiedergabe des Gesagtenscheint durch ein einfaches und ich so nicht emphatisch genug zu sein, so dass das Verb einewichtige Information über den genauen (oder zumindest genaueren) Expressivitäts- undStellenwert der folgenden Information gibt.Eine weitere Besonderheit stellt die Angabe der Zeit dar. So schreibt Golato:“While English speakers now can make a distinction between present and past withbe like just as they can with other verbs, this distinction is not possible in Germanwith this construction, since the German quotative contains no verb. The present/pastdistinction has to be inferred by the listener, that is, it is only recoverable through timeadverbials and through the context in which the sentence is uttered.”44Diese Beobachtung scheint zuzutreffen. In unserem Korpus findet sich kein Vorkommen vonVerben in der Vergangenheit in Verbindung mit und ich so. Wie Golato schreibt, wird dieVergangenheit durch Zeitadverbien oder den Kontext hergestellt.[Anrufbeantworter Video 90]:001 SP1 gestan (.) ich schwör so (.) es gibt ärga;37Golato (2000): An innovative German quotative. S.29-54.Ebd.: S.37.39Z.B. JuSpiL- und Wendekorpus40Golato (2000): An innovative German quotative. S.37.41Ebd. S. 40.42und auch anderen Verben, wie z.B. gehen, grinsen etc., die aber an anderer Stelle diskutiert werden müssen43Golato (2000): An innovative German quotative. S.36.44Ebd. S. 37.38

In fast allen Fällen steht das Zeitadverb (gestan gestern) im Vor-Vorfeld, wobei eineverlässlich genaue empirische Aussage, bedingt durch die geringe Auftrittshäufigkeit, nicht zumachen ist.Auffällig ist weiterhin, dass im JuSpiL-Korpus die Zitatmarker mit schwöre imAnrufbeantworterteil vorkommen. Golato hält fest, dass in keinem Audiotape oderTelefongespräch und ich so gefunden wurde,45 da der Zitatmarker immer mit dem Vorspielenoder Inszenieren zu tun habe. Letztendlich kann an dieser Stelle wenig dazu gesagt werden,da wir nicht wissen, was die Sprecher vor ihrem Telefonhörer bzw. Headset gemacht haben.Es ist jedoch naheliegend, dass gerade in Situationen mit einem Headset auf dem Kopf undfreien Händen, diese nicht still auf dem Tisch liegen, sondern dass sie die Sprache inirgendeiner Weise unterstützen bzw. kommentieren, auch wenn der Anrufbeantworter dieseDaten nicht aufzeichnet.Es bleibt also zu vermuten, dass die deiktische Partikel so46 für die jugendlichen Sprechernicht expressiv oder genau genug ist, um den Gesprächspartner darauf hinzuweisen, dass einZitat oder eine Erzählung folgt. Die Ergänzung durch ein Verb (in diesem Fall schwören)verleiht dem Zitatmarker eine neue Qualität an Intensität.3.3 Intonation von uallah und ich schwöreDie generelle Sprechtonhöhe ist anatomisch abhängig von der Länge und Dicke derStimmlippen, der Größe des Kehlkopfes und dem jeweiligen Spannungszustand desSprechers. Männliche Jugendliche, die bereits im Stimmbruch sind, werden deshalbnaturgemäß etwas tiefer sprechen als Jugendliche, die dieses Entwicklungsstadium noch nichterreicht haben. Da wir es in unseren Untersuchungen häufig mit Teilnehmern zu tun haben,die sich gerade in dieser Lebensphase des „Umbruchs“ befinden, ist es schwierig, geeignetesDatenmaterial auszuwählen, da mit zunehmendem Alter auch die Auftrittshäufigkeit von ichschwöre-Konstruktionen nachlässt (siehe 5.) Ein weiteres Problem ist die bereitsangesprochene Multifunktionalität von uallah und ich schwöre. Es wird aus diesem Grund nurauf alleinstehende Vorkommen zurückgegriffen, bei denen aus dem Kontext geschlossenwerden kann, ob es sich um ein emphatisches Mittel handelt. Das Datenmaterial entstammtdem JuSpiL-Korpus, da hier gesicherte Angaben zu Entwicklungsstadium, Alter, Herkunftetc. vor

Anrufbeantworters hat eine Software geschrieben, die ihn bei einigen Personengruppen sehr beliebt, bei anderen sehr unbeliebt gemacht hat. Die Anrufbeantworteraufzeichnungen spiegeln dies sehr gut wieder. Alle Aufnahmen wurde